■ Filmstarts à la carte
: Kleiner Nachtrag: Berlinale-Debattenkultur

Stimmen hatten früh gewarnt: Nu, junges Frollein, mal nicht so heftig, was?! Und hatten recht gehabt damit. In der Tat ist es besser und auch magenverträglicher und kommt zudem noch der Völkerverständigung entgegen, wenn man nicht immer so aufbrausend ist. Die Menschen fangen doch an, sich vor einem zu fürchten. Was ist nun aber zu tun, wenn Mißstände sich einem in den Weg legen wie der Ast, der einst den jungen Absalom jäh in seinem kühnen Flug gebremst?

Es war so: Es gibt doch diese Sitte, speziell bei Forums- und Panoramafilmen, von denen ja nun einige hinter uns liegen, anschließend mit den Damen und Herren FilmemacherInnen (neuerdings auch gern Cuttern – ist Ihnen aufgefallen, daß viele Menschen „Kötter“ sagen?) ein kleines Gespräch zu führen. Die erste Frage lautet meist: „Wie kam Ihnen die Idee, diesen Film zu machen?“ und ist eigentlich nur bei herzzerreißend schlechten Filmen so richtig lustig, wo man merkt, daß der Fragende am liebsten mit ungläubigem Schrecken ausgerufen hätte: „Was um alles in der Welt hat Sie, guter Mann, geritten, diesen unglaublich schlechten und dennoch bemitleidenswerten Nichtsnutz von einem Film zu machen?“

Das Problem ist folgendes: Sind Filmemacher verpflichtet, für ihr Produkt eine Art Erklärung auf Lager zu haben (die ja der erste Schritt zu einer rechtschaffenen Entschuldigung hin wäre)? Sollten sie sich was gedacht haben? Film als Konzeptkunst? Oder ist dies ein Unsinn, der in Hellmuth Karasek seine Mottenkiste gehört? Ganz pikant wird es, wenn es an die Details geht.

Vielleicht war zum Beispiel jemand von Ihnen auch bei der Vorführung von Peter Voigts nicht ungewichtig betiteltem „Der Ort die Zeit der Tod“ (ganz ohne Kommata, da besteht er drauf). Nicht nur fängt der Film über den Tollense-See (wollense an den Tollense? Hihi) mit den Sätzen an: „Ein See im östlichen Deutschland. In seinem Wasser treibt und hockt an seinen Ufern das Schweigen der gleichgültigen Geschichte.“ Bazzong. Ein solcher Satz, von Alexander Lang gelesen, will erst mal goutiert, runtergeschluckt und verdaut werden, aber da geht es schon weiter. Die Details sollen Ihnen hier sogar erspart werden. Nur so viel: Es geht um so ziemlich alles, um Massensuizid, Euthanasie, Hagebutten, Farnkräuter, DDR- Lager, Torpedostationen und so weiter, das Ganze nur erzählt, nie belegt, und dazu erklingt indische Musik. Nun schön.

Wie, Herr Voigt, kam die Idee zustande? Einfach so. Was sollte die indische Musik? Hat sich so ergeben. Warum haben Sie keine Leute am Ort befragt? Hätte nicht gepaßt, Gesichter hätten nicht so gepaßt. Warum führen Sie den Film als „Heimatfilm“ ein? Och. Warum nicht?

Und sehen Sie, da ist dann eben so ein Zorn in dem Menschen. Voooigt, möchte man rufen, gehen Sie weg! Nehmen Sie Ihren blöden Film und ihre blöde Musik und ziehen Sie sich zurück, nach Wyk auf Föhr oder zu den Eskimos („Eskimos“, so war übrigens von einem jungen Mann in der Vorführung zu hören, darf man jetzt auch nicht mehr sagen, ätsch. Sie heißen anders. Aber ich weiß nicht mehr, wie.) Lesen Sie noch mal, wie Johnson das gemacht hat. Oder gehen Sie jedenfalls zu keiner Diskussion nicht, wenn Sie schon beleidigt sind, daß man überhaupt etwas räsonieren möchte. Unsereins hat es schließlich auch nicht so leicht und wird auch alle naslang gefragt, was man sich bei diesem und jenem gedacht habe und ob man noch alle Tassen im Schrank habe. Stellen Sie sich vor, wir wollten dann immer, wie bei dieser Kolumne zum Beispiel, glockenhell ausrufen: Nichts! Gar nichts! Ü-ber-haupt nichts! Mariam Niroumand

Das Arsenal wiederholt noch bis zum Wochende einige der im Forum gezeigten Filme.