Fernziel Normalität

Weg von „Irgendwie total betroffen“ – Ausländer in deutschen Medien: Ein Tagungsbericht  ■ Aus Köln Reinhard Lüke

Das deutsche Fernsehen fremdenfeindlich? Rassistisch gar? Aber nicht doch. Wo immer farblich als Ausländer erkennbare Menschen (Bleichgesichter mit fremdem Paß und vertrauten Zügen werden ohnehin eingedeutscht) auf dem Bildschirm erscheinen, kommen sie prima weg. Charakterlich gesehen. Entweder profitieren sie vom Arabella-Kiesbauer-Effekt, wonach vor allem aparte, schokobraune Fräuleins mit Exotentouch derzeit als chic und trendy gelten. Oder sie kommen in Krimis und Serien auf den Spuren von „Onkel Toms Hütte“ daher: unschuldige, herzensgute Menschen, die ständig auf der Flucht vor irgendwelchen bösen Glatzen sind. So was macht immer wieder total betroffen, und unwillkürlich wartet man jedesmal auf die Einblendung eines Spendenkontos, auf das sich die diffuse Mulmigkeit entsorgen ließe.

Unter dem Motto „Mehr Farbe in die Medien“ ging Ende letzter Woche in Köln eine zweitägige Fachtagung über die Bühne, die sich des Ausländerbildes in deutschen Radio- und Fernsehprogrammen annahm. Derartige Veranstaltungen sind nun auch nicht mehr eben neu, und es wird auch nicht die erste dieser Art gewesen sein, der Rita Süssmuth die Ehre ihrer Schirmherrschaft zuteil werden ließ. Aber diesmal wollten es die Veranstalter, die „Initiative Interkultureller Rundfunk“ am Adolf-Grimme-Institut, nicht dabei belassen, dumpfe Klischees zu geißeln und mehr Differenziertheit einzufordern. Man wollte auch Konzepte entwickeln, wie der Misere beizukommen sein könnte. So war man sich denn auch gleich einig, daß auf deutschen Bildschirmen Ausländer entweder schändlich unterrepräsentiert sind oder, so sie denn vorkommen, das Ganze zumeist von „positiver Diskriminierung“ und einem „Chauvinismus der Wohlmeinenden“ getragen wird.

Also weg von jener verquasten Sturzbetroffenheit und hin zu mehr...? Tja, was? Gerechtigkeit? Sowieso. Gelassenheit? Auch nicht übel. Doch die visionäre Zauberformel, die da zwei Tage lang durch die Räume schwirrte, hieß weit schlichter „Normalität“. Schön und gut. Nur was, bitte, soll das heißen? Etwa so was wie in der „Lindenstraße“, immerhin so was wie der Schrebergarten der political correctness, wo neben all den griechischen und italienischen Kneipiers auch endlich eine türkische Familie einzieht? Durchaus, vorausgesetzt die Figuren werden nicht darauf reduziert, türkische Ausländer zu sein. Also dann doch lieber nicht in die „Lindenstraße“.

Raus aus der Sparte, rein ins Programm

Doch grundsätzlich war man sich in Köln darüber einig, daß jene ominöse „Normalität“ nicht zuletzt eine größere Präsenz von Ausländern in Mainstream-Programmen verlangt. Und da der Ausländer an sich im Gegensatz zu seiner Erscheinung auf deutschen Bildschirmen nicht nur gut ist, müßte sich der Krimi-Autor, der sich um der Gerechtigkeit willen traut, die Figur eines fiesen Killers mit fremdem Paß (jenseits der Mafia!) zu entwickeln, im nächsten Jahr den Civis-Preis abholen dürfen. Kann natürlich auch sein, daß er sich als „Rassist“ einen anderen Job suchen müßte.

Früher, in den Sechzigern mit den Gastarbeitern, da war alles noch einfach. Der deutsche Schlager ließ sonntags zwei kleine Italiener am Bahnhof von Napoli träumen, und in Fernsehen wie Hörfunk bauten Sendungen in fremden Sprachen den hierzulande Fremden nette Brücken in die Heimat. Viele dieser Sendungen gibt es heute noch, aber sie sind, obwohl mit modifiziertem Konzept und inzwischen deutsch untertitelt, klassische Nischenprogramme geblieben. Und so ist auch die Initiative von WDR-Hörfunkchef Fritz Pleitgen für eine eigene, bundesweit ausgestrahlte, muttersprachliche Hörfunkwelle eine eher zwiespältige Angelegenheit. Schließlich erweise man mit einem derartigen Spartenkanal „Ausländer“ jener angestrebten „Normalität“ womöglich einen Bärendienst.

Wie diese „Normalität“ denn nun zu erreichen sei, blieb natürlich auch am Ende der Tagung mehr oder minder nebulös. Grundsätzlich über mehr Ausländer innerhalb der Sendeanstalten außerhalb jener muttersprachlichen Redaktionen. Klar. Aber wie sollen sie da reinkommen? Über die Krücke Quote? Macht wenig Sinn. Dann schon eher über spezielle Ausbildungsmodelle, wie sie in England und in den Niederlanden bereits seit Jahren existieren. Doch dazu bräuchte es den Willen seitens der Politik. Aber den hat's halt nicht. Und die zynischste und im Kapitalismus zugleich natürlichste Form der Bildschirmintegration hat die GfK verweigert, indem sie ein avisiertes eigenes Ausländer- Panel nun doch nicht einrichtet. Das Projekt würde sehr teuer. Und die Werbewirtschaft giert nach diesen Zahlen nicht gerade.