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■ Streikbeschluß – werden die Arbeitgeber einschwenken?Die Reservearmee als Druckmittel

Die Metaller sind zum Streik bereit. Daran läßt das gestrige Urabstimmungsergebnis keinen Zweifel. Aber noch könnte ein Arbeitgeberangebot in letzter Minute die Wende bringen. Ginge es der Kapitalseite tatsächlich nur um die Durchsetzung des betriebswirtschaftlich Vernünftigen, dann dürfte ein solches Angebot nicht ausbleiben. Blieben die Unternehmer stur, dann böten sie damit den letzten Beweis dafür, daß ihr eigentliches Ziel in dieser Tarifrunde nicht auf den Abschluß eines moderaten Tarifvertrags, sondern auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse insgesamt abzielt.

Unter rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre ein Lohnabschluß um drei Prozent für die Branche jederzeit verkraftbar. Nach dem üblichen tarifpolitischen Ritual signalisiert die Sechs-Prozent- Forderung der IG Metall die Bereitschaft zu einem Abschluß in eben dieser Höhe. Ein solcher Lohnabschluß würde der Kunjunkturentwicklung nicht schaden. Erst vor zwei Tagen hat die deutsche Bundesbank verlauten lassen, daß die Gefahr eines konjunkturellen Rückschlags in Deutschland „entgegen mancher Befürchtungen geringer geworden“ sei.

Auch dem Export deutscher Waren könnten drei Prozent mehr Lohn – wodurch sich die zur Wettbewerbsbeurteilung wichtigen Stückkosten ohnehin nur um ein Prozent verteuerten – nichts anhaben. Alle gegenteiligen Behauptungen führen in die Irre. Viel wichtiger als diese lohnbedingte Kostenerhöhung schlägt sich die Wechselkursentwicklung auf die Preise deutscher Exportgüter nieder. Erst am Dienstag dieser Woche hat der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, darüber gejammert, daß die Preise für deutsche Produkte im Ausland aufgrund der DM-Stärke seit Jahresbeginn nachhaltig angezogen haben. Im Dollarraum um 5 Prozent, in Großbritannien um 3,7 Prozent und in Italien um 3,3 Prozent. Dagegen fiele die durch Lohnerhöhung induzierte einprozentige Stückkostenerhöhung, die bei den europäischen Konkurrenzländern im übrigen mit knapp zwei Prozent fast doppelt so hoch ausfällt, kaum ins Gewicht.

Nein, allein diese Zahlen zeigen, daß die totale Blockade der Metallarbeitgeber andere Ziele als den Abschluß eines moderaten Tarifvertrags verfolgt. Angesichts von gut fünf Millionen Arbeitslosen sehen sie die Zeit gekommen, den Gewerkschaften bei der Festlegung von Arbeitszeit und Entlohnung Einfluß und Macht zu nehmen. Schon die Nullrunde im letzten Jahr und die Vereinbarung von Öffnungsklauseln wiesen den Weg. Mit einer solchen „Reservearmee“ im Rücken, das immerhin haben die Kapitalisten bei Karl Marx gelernt, läßt sich mit den abhängig Beschäftigten ganz gut Schlitten fahren. Der Streikbeschluß der Metaller signalisiert indes, daß der Klassenkampf von oben auch Risiken für die Kapitalseite birgt. Vielleicht bringt diese Willenskundgebung die Scharfmacher ja doch nur zur Räson. Walter Jakobs

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