„Ruhe ist nicht konsumierbar“

■ Lea Fleischmann vertrat im Literaturhaus die Idee des Schabbat

Lea Fleischmann wurde 1947 geboren. 1979 zog sie von Deutschland nach Jerusalem, ein Jahr später erschien ihr erstes Buch Dies ist nicht mein Land, in dem sie mit dem bundesrepublikanischen Alltag hart ins Gericht ging. In ihrem neuesten Werk Schabbat versucht sie, das Judentum auch für Nichtjuden verständlich zu machen. Vor ihrer Lesung, die am Mittwoch im Literaturhaus auf großes Interesse stieß, gab die Autorin Auskunft.

taz: Warum schreiben Sie ein Buch über einen Wochentag?

Der universale Gedanke der Ruhe für den Menschen ist so wichtig wie das vierte Gebot „Du sollst nicht töten“. Mich hat eine Beobachtung fasziniert: In Jerusalem gibt es Stadtteile, in denen am Schabbat kein Auto gefahren wird. Der Mensch schaltet die Technik an diesem Tag einfach aus. Der Gedanke, der dahinter steckt, kommt aus der Schöpfungsgeschichte. Gott hat an sechs Tagen die Welt geschaffen, und am siebten Tag ruhte er. Er war nicht mehr aktiv. Diesen Gedanke finde ich nicht nur wichtig für das Judentum, sondern für alle Menschen. Wir müssen nach Wegen suchen, wie wir uns zur Ruhe setzen können. Ruhe muß ein positiver Wert werden, denn wir machen inzwischen ja alles kaputt durch diese ununterbrochene Aktivität.

Ruhe ist also nicht gesellschaftsfähig?

Ruhe ist nicht konsumierbar, die Konsumgesellschaft muß den Menschen aber in Bewegung halten. Das bedeutet, entweder unternimmt man etwas oder schaltet den Fernseher ein, wo einem dann wieder gesagt wird, was man tun kann, etwa in der Werbung. Action, Aktivität muß immer sein, dieses absolute Sichzurückziehen, um sich eventuell mit göttlichen Gedanken zu beschäftigen, wäre ein störender Faktor in einer Zeit, die auf Konsum aufgebaut ist.

Konsum, Technik sind aber doch auch für den Schabbat wichtig. Das Einschalten des Lichtes, sonst am Schabbat verboten, wird oft durch Zeitschaltuhren geregelt.

Technik ist ein Teil des Lebens. Nur: Muß die Technik unser Leben ununterbrochen bestimmen, müssen wir nicht Punkte finden, wo wir uns der Technik entziehen? Man sucht in der westlichen Welt dauernd neue Energieprogramme, Möglichkeiten, wie man Energie umweltfreundlich gewinnen kann. Daneben könnte doch aber auch eine geistige Idee den Menschen veranlassen, weniger zu tun, so daß er weniger verbraucht. Die Idee des Shabbats wäre so eine geistige Idee.

Sie haben das Buch auf deutsch geschrieben. Soll es eine Botschaft für die Deutschen sein?

Ich lebe seit 15 Jahren in Israel und spreche inzwischen recht gut hebräisch. Es reicht, Briefe zu schreiben. Literarische Texte aber, in denen ich etwas beschreiben will, etwas beobachtet habe und jetzt ausdrücken will, die werde ich immer auf deutsch schreiben.

Werden sie irgendwann wieder in Deutschland leben?

Mich zieht nichts mehr hierher. Wenn mir das Geld ausgeht, schreibe ich. Ansonsten habe ich zusammen mit meinem Lebenspartner eine kulturelle Begegnungsstätte in Jerusalem. Ich mache Lesungen für deutsche Reisegruppen, biete Gespräche an. Die Leute fahren durch das Land, sehen sehr viel, und können es oft nicht einordnen. Die Idee dazu ist mir beim Schwimmen gekommen. Gegenüber von meiner Wohnung sind drei Hotels, und ab Februar hört man da nur noch Deutsch. Ich habe dann gedacht, denen könnte ich eine Menge über das Land erzählen. Ach ja, wer Lust dazu hat: Ich wohne Herzl Blvd. 38, p.o.b. 6896, Jerusalem. Wenn Sie vorbeikommen wollen: vorher anrufen wäre schön.

Heike Schulte