Zwischen den Rillen
: Boxed und Unboxed

■ 3 x „weiblich“: Bettie Serveert, Throwing Muses, Free Kitten

Bettie Serveert, Throwing Muses und Free Kitten haben gemeinsam, daß es sich um „gemischte“ Bands handelt, sie also trotz weiblichen Gesangs nicht unter „Mädchenband“ abgelegt werden können. An ihren Platten kann man ablesen, wie „weibliche“ Stimmen teils auf im Rockbusiness eingeführte Zuschreibungen hin eingesetzt werden – „sensibel“, „gefühlvoll“ –, teils im Ankämpfen dagegen zum Tragen kommen.

Es fragt sich, was von dem, was als „weiblich“ ankommt, Ausdruck eines originären Zusammenarbeitens in den jeweiligen Bands ist und was einfach nur ein Hinarbeiten auf Erwartungen des Marktes ist, in dem diese „Weiblichkeit“ als Erholung von der dampfenden Männer-Rockschaffe ausgegeben wird. Im Falle von Bettie Serveert, einer Band aus den Niederlanden, die in den Staaten von dem Kultlabel Matador herausgebracht und also international wahrgenommen wird, ist schon allein die Geschichte der Band in dieser Hinsicht interessant: Sängerin und Texterin Carol van Dijk war Toningenieurin der Vorgängerband De Artsen, in der noch Gitarrist Peter Visser sang. Nun singt sie alle Songs, und die Band Bettie Serveert stellt sich als griffiges, geschlossenes Konzept dar: klassisches Indie-Songwriting, wie es mit den Replacements, Soul Asylum oder den Lemonheads chartsfähig wurde. Man präsentiert sich als nur am Song interessiert, die Texte handeln von Träumen und Traumhaftem und stellen sich in den Dienst der Melodie. In manchen Stücken hebt die Band zu Neil- Young-artigen Ausuferungen an, um dabei aber seltsam keimfrei zu bleiben. Zu kalkuliert, das Ganze, zu sehr darauf angelegt, ein Mitsing-Potential zu entwickeln.

Nicht umsonst prangt auf dem Cover der neuen Throwing-Muses-CD stolz ein Aufkleber mit der Aufschrift: „Featuring Kristin Hersh“. Die Sängerin landete '94 mit ihrem Soloalbum einen regelrechten Hit, es entsprach mit seinen eher ruhigen und breit produzierten Songs dem Feld, das R.E.M. in den letzten Jahren bereitet haben. Mit ihrer Band wird nun wieder eine ganze Ecke schärfer, kantiger gerockt (wie ja dann zuletzt auch von R.E.M.), aber auch hier bleibt die Produktion größtenteils antiseptisch. Der Opener „Bright Yellow Gun“, in dem noch einmal der von früheren Throwing- Muses-Veröffentlichungen her bekannte von verquer zu wieder geradlinig sich durchkämpfende Songaufbau voll ausgespielt wird, verspricht viel: präzise und lospreschend. Aber dann verflacht die Platte zunehmend: Allzuoft greift Hersh in ihren Gesangsmelodien auf die gleichen – wenn auch von ihr eingeführten – Muster zurück, die Rhythmik zwischen Gitarre, Baß und Schlagzeug wird immer wieder auf den gleichen Groove hin angelegt, die gleichen Staccati, die gleichen Breaks. Die Throwing Muses waren, als sie noch eine Band von drei Frauen waren (Tanja Donelly, Sängerin von Belly, war früher bei den Throwing Muses), deutlich spannender – jetzt wird im Grunde nur noch das damals Vorgelegte reproduziert. Aber, um Mißverständnissen vorzubeugen: an Kristin Hershs Solo- Erfolg liegt das nicht: Redundanz kriegen unzählige Bands mit männlichem Sänger genauso hin.

Richtig gelungen ist dagegen die zweite Platte von Free Kitten. Die erste, „Unboxed“, war noch ein Ausdruck davon, daß Free Kitten einmal als reines Live-Projekt von Sonic-Youth- Bassistin Kim Gordon und Julie Cafritz angefangen hatte – ungestüm, unfertig, selbstbewußt und kokettierend dilettantisch. Aber „Nice Ass“, zusammen mit Drummerin Yoshimi und dem Bassisten von Pavement, ist richtig durchdachtes Spielen mit den Mitteln, die sich in den vergangenen fünfzehn Jahren Postpunk entwickelt haben. Im dritten Song „Proper Band“ wird auf diese Entwicklung ironisch Bezug genommen: „Our guitars are always in tune, the european tour is in june ... we've got a lighting crew, we're kitten and we're better than you.“ Richtige Band also mit gestimmten Gitarren, eigenen Lichtmischern usw. Aber es bleibt nicht bei dieser Referenz auf die Eingespieltheiten der Alternativ-Rock- Szene: Die Platte wimmelt geradezu vor Insiderwitzen und Anspielungen auf Songtitel – der Opener heißt in Anlehnung an Neil Youngs „Harvest Moon“ „Harvest Spoon“, und gleich wird im Text auch schon Liz Phairs „Guyville“ (ein ironischer Ausdruck für die Männerclübchen der Indie-Szene) zitiert.

Die Leadvocals sind meistens von Kim Gordon, und fast noch mehr als bei Sonic Youth beschränkt sie ihre Stimme auf das, was gemeinhin eben gerade nicht als „weibliches“ Singen eingeführt ist: cool deklamierend, schreiend, ohne unkontrolliert zu zetern, offensiv.

Die ganze Platte klingt wie ein einziges Fest: Aus jedem Ton hört man den Spaß, den es gemacht haben muß, ihn aufzunehmen.

Traditionelle Songstrukturen werden nur anzitiert, um sich dann einem rauhen Groove zu überantworten, der Sonic- Youth-Stilmittel zum Party- Ereignis macht.

Nach all dem buchhalterischen Songs-Verwalten von Bettie Serveert und Throwing Muses eine echte Offenbarung. Jörg Heiser

Bettie Serveert – Lamprey

(Beggars Banquet/RTD)

Throwing Muses – University

(4 AD/RTD)

Free Kitten – „Nice Ass“

(Wiiija Records/RTD)