Atompark an der Ostsee

■ Zehn AKW bei St. Petersburg in Planung

Helsinki (taz) – In der Nähe der russischen Metropole St. Petersburg soll nach Informationen eines örtlichen Umweltinstituts ein regelrechter „Atompark“ entstehen. Nicht weniger als zehn neue Atomreaktoren und eine Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Kernbrennstäbe sind in naher Zukunft für die Region um Sosnovij Bor geplant. Für letztgenannte Anlage soll es eine Projektplanung geben, an der neben Rußland und Frankreich auch die deutsche Atomindustrie beteiligt sein wird.

Oleg Bodrow, Atomphysiker und Mitarbeiter des Umweltzentrums in St. Petersburg, konnte bei einer Informationsveranstaltung im finnischen Helsinki jetzt berichten, daß ein Teil der Planungen bereits weit fortgeschritten sei: Die Kraftwerksgesellschaft von Sosnovij Bor habe einen Vertrag mit dem Militär und großen Industrieunternehmen in der Region geschlossen, um zusammen bis zu fünf neue MKER-Reaktoren – eine „verbesserte“ Version des Tschernobyl-Typs RBMK – zu finanzieren. Die Reaktoren sollen jeweils eine Leistung von 800 Megawatt haben und die gegenwärtig bei Sosnovij Bor laufenden vier 1000-Megawatt-Meiler ersetzen; außer den genannten AKWs stehen in der Region noch drei militärische Versuchsreaktoren für Atom-U-Boote. Weitere drei MKER-Reaktoren will die Betreibergesellschaft bei Bedarf einige Kilometer weiter westlich der jetzigen Anlagen bauen lassen.

Zwei weitere Reaktoren sollen die zukünftige Stromversorgung von St. Petersburg sicherstellen. Auch für diese scheint es fertige Pläne zu geben. Es handele sich um Druckwasserreaktoren, für die laut Bodrow die deutschen Firmen Siemens und die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) Teile der Ausrüstung liefern sollen. Der erste Reaktor soll 2003 ans Netz gehen, der zweite 2011. Parallel laufen Planungen, mit dem sich auftürmenden Atommüll klarzukommen. Auf längere Sicht ist der Bau einer Wiederaufbereitungsanlage geplant, zunächst sollen aber die 10.000 Tonnen abgebrannter Brennelemente und sonstigen Atommülls, die jetzt nur einen Kilometer vom Ostseestrand entfernt unzureichend gesichert lagern, abtransportiert werden. Vermutlich auf die Insel Nowaja Semlja, sobald das dort geplante Endlager in Betrieb genommen wird. Dies würde einen Transport durch die Ostsee und an der norwegischen Nordsee- und Atlantikküste bis ins Eismeer bedeuten. Laut Greenpeace Finnland hat Rußland nach wie vor kein Atomgesetz und keine gesetzliche Regelung für die Lagerung von Atommüll. Reinhard Wolff