Kardinalproblem überhaupt nicht gelöst

■ Interview: Mietenkompromiß ist keiner, kritisiert Mieterverein-Chef Hartmann Vetter

Der von den ostdeutschen Bauministern, dem Berliner Bausenator und Bundesbauminister Töpfer (CDU) am Donnerstag abend verabredete „Mietenkompromiß“, wonach in den neuen Ländern sowie in Ostberlin die Übergangsregelung für das Vergleichsmietensystem auf zweieinhalb Jahre verlängert wird und die Miete ab 1. Juli um 15 Prozent steigen kann, stößt beim Mieterverein sowie den Bündnisgrünen auf Kritik. Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, sieht nur „Kosmetik“. Möglicher Mietwucher und ungenügende Wohngeldregelungen seien nicht vom Tisch. Dagegen findet Bausenator Nagel (SPD) das Ergebnis akzeptabel, und auch der Regierende Bürgermeister Diepgen (CDU) spricht von einem „verkraftbaren Mietenkompromiß für Berlin“. Die taz sprach mit Hartmann Vetter, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.

taz: Die Übergangsregelung zur Einführung der Vergleichsmieten in den neuen Länden soll auf zweieinhalb Jahre verlängert werden. Dafür kann, statt bisher 20 Prozent, die Mieterhöhung um 15 Prozent steigen. Ist das für Sie ein Kompromiß?

Hartmann Vetter: Der Kompromiß hat zwei Seiten. Zum einen bedeutet er eine Verbesserung, weil die Möglichkeiten zur Mieterhöhung von 20 Prozent auf 15 Prozent reduziert wurden. Die Erhöhung um weitere 5 Prozent soll erst Ende 1996 zulässig sein. Zum anderen ist das Kardinalproblem, nämlich die Mietregelung bei Neuvermietungen, überhaupt nicht angesprochen worden. Wenn es dabei bleibt, daß es dort keine Mietpreisbegrenzung geben soll, ist das nicht akzeptabel.

Welche Forderungen und Instrumente sollten bei der Neuvermietungsproblematik aus Ihrer Sicht erfüllt beziehungsweise angewandt werden?

Der Mieterbund fordert, daß auf die bisherige Miete nur ein Aufschlag zugelassen wird. Ob der fünf oder zehn Prozent beträgt, ist nicht das Problem.

Warum legen Sie die Kappungsgrenze nicht eindeutig fest?

Es geht prinzipiell darum, daß überhaupt ein Instrument in diese Richtung geschaffen wird. Denn eine Freigabe der Mieten führt zur Mietenexplosion und verhindert Umzüge in kleinere Wohnungen.

Wie wollen Sie dafür sorgen, daß es zu einer Begrenzung im Neuvermietungsbereich kommt?

Der Mieterbund wird schon dieses und nächstes Wochenende Aktionen starten, weil der ausgehandelte Kompromiß nicht endgültig und unvollständig ist. Er steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Länderparlamente. Nächste Woche ist eine Anhörung im Bundestag, auf der der Mieterbund dazu Position beziehen wird. Das Paket ist nicht zugeschnürt.

Bei Modernisierungsmaßnahmen dürfen zukünftig 3 Mark pro Quadratmeter auf die Miete aufgeschlagen werden. Ist das angesichts des zum Teil maroden Wohnungsbestandes in Ostberlin, der erneuerungsbedürftig ist, gerechtfertigt?

Ich denke, daß diese Kappungsgrenze von 3 Mark pro Quadratmeter richtig ist. Man muß modernisieren. Die Modernisierungserhöhung darf allerdings nicht dazu führen, daß die Mieter ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen können. Wichtig wäre, die Mietermodernisierung zu erleichtern, damit der Standard verbessert wird, aber die Mieten bezahlbar bleiben.

Sollten die Mieten, wie es etwa die Bündnisgrünen vorschlagen, ausschließlich an die Einkommensentwicklung angepaßt werden?

Der Einigungsvertrag sieht vor, daß sich die Mietentwicklung im Osten an den Einkommen zu orientieren hat. Wichtig ist, daß das Mietsystem jetzt mit Wohngeld flankiert wird, weil es zwar Haushalte gibt, die ihre Mieten ohne weiteres verkraften können, es aber auch Haushalte gibt, die eine Mietbelastung von über 30 Prozent haben, für die eine weitere Erhöhung die Aufgabe der Wohnung und Einschränkung des Lebensstandards bedeuten würde. Interview: Rolf Lautenschläger

Siehe auch Bericht Seite 5