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Sterne statt Kuhhandel

■ Die „Bremer Frauen Liste“ kandidiert für die Bürgerschaftswahl: „Unser Ziel ist, die fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Dann wären vier Frauen in der Bürgerschaft, da könnten wir schon entsetzlich viel Ärger machen.“

Eine neue Wählerinnengemeinschaft stellt sich der Bürgerschaftswahl: Vorsitzende der „Bremer Frauen Liste“ (BFL) ist die Politologin Iris Bubenik-Bauer, Mitbegründerin der Feministischen Studien. Stellvertreterin ist die Politologin Erika Riemer-Noltenius, Sprecherin vom Bremer Frauenausschuß und seit Jahren aktiv in Frauenverbänden.

Stimmt es, daß beim ersten Treffen der BFL einige der 20 Besucherinnen, nämlich SPD-Frauen, die Gründung der Frauenliste zu verhindern versuchten?

Bubenik-Bauer: Ja. Wenn ihr Basispolitik machen wollt, hieß es, habt ihr denn auch Kanditatinnen für die Beiratswahlen? Und wenn nicht, seid ihr dumm. Wortwörtlich. Ich habe geantwortet: Wir sitzen hier, um zu erfahren, ob Frauen Interesse daran haben, wieder politisch aktiv zu werden.

Gibt es denn genügend Frauen, die mitziehen?

B-B: Wir wenden uns als erstes an Frauen, die sich mit keiner Partei identifizieren können. Die Position, daß alles schon gedacht und in den Papieren der Parteien festgehalten ist – also, ich sehe da keine Umsetzung. Ich arbeite bei den –Frauen in Schwarz' und bei den –Bremerinnen für Frauen aller Kulturen', und ich sehe nicht, daß sich jemand aktiv dieser Probleme annimmt. Von daher haben wir schon eine Chance. Wir wollen auch gar nicht Frauen aus ihren Parteien lösen, wir wollen kooperieren. Eine quasi außerparlamentarische Oppositions-Frauengruppe kann doch auch die SPD-Frauen stärken.

Sie halten es für ausgeschlossen, Frauenenpolitik in den traditionellen Parteien zu machen?

Riemer-Noltenius: Ja, absolut. Die Parteien sind auf dem absterbenden Ast, die Strukturen verkrustet. Die Volksvertreter sind keine mehr, sie sind Parteifunktionäre, die in erster Linie ihre eigenen Interessen vertreten. Die Parteien müßten völlig neu anfangen, aber da ist kein Anfang. Die jungen Leute werden ja weggebissen von den Alten.

Für welche –Fraueninteressen– würden Sie eintreten, wenn Sie bei der Wahl über 5 Prozent kommen?

R-N: Was sich hier im Laufe der letzten 10-15 Jahre an Frauenprojekten entwickelt hat, ist ein unglaubliches Spektrum. Daß diese Initiativen, die im besten Sinne des Wortes Gemeinsinn zeigen, jetzt alle mit dem Geldargument kaputt gemacht werden, ist skandalös.

B-B: Zumal Bremen bundesweit die meisten Millionäre hat.

R-N: Bremen ist eine urpatriarchale Stadt, große gesellschaftliche Ereignisse sind reine Männerereignisse. Andererseits gibt es 120 Frauenprojekte, die darum bitten, mit vielleicht 500 Mark im Jahr unterstützt zu werden, um zu überleben. Es gibt eine echte Korrelation zwischen der patriarchalen Struktur im öffentlichen Leben und einer feministischen Subkultur. Aber es wird höchste Zeit, diese Frauenprojekte vorm Sterben zu bewahren. Daß kein Geld da ist, ist absurd, es noch nie so viel Geld gegeben, wie im Augenblick. Wenn die Bundesrepublik über 1,5 Billionen Schulden hat, dann gibt es ja auf der andern Seite die Gläubiger, die Milliardäre und Millionäre. Wenn der Staat nicht in der Lage ist, sich von denen was zurückzuholen, dann liegt das am Staat.

Besteht folglich auch bei engagierten Parteifrauen ein Unwille, die Gelder richtig umzuverteilen?

R-N: Sie setzen sich in den Parteien nicht durch.

B-B: Dazu kommt, daß Frauen, egal ob Grüne oder SPD, am Kuhhandel beteiligt sind. Da heißt es: Wenn ihr die 50.000 fürs Frauenprojekt wollt, müßt ihr den 200.000 in dem Bereich zustimmen. Für Pea nuts werden sogenannte Sachzwänge eingegangen. Frauen haben verlernt, nach den Sternen zu greifen, und ich möchte, solange ich existiere, nach den Sternen greifen und meiner Tochter zeigen, daß sie Ansprüche hat. Wir stellen 52 Prozent der Bevölkerung und überlassen die Definition von dem, was wichtig ist in Politik und Kultur, nur den Männern.

Sie sind doch erfahren genug, um zu wissen, daß dieser Kuhhandel Bestandteil von Politik ist. Sie glauben, daß man daran vorbeikommt?

R-N: Ja, wenn es gelingt, Menschen in die Parlamente zu kriegen, die nicht in Parteien eingebunden sind. In dem Moment, wo man in der Partei ist, ist man auch im Kuhhandel.

Mit wieviel Prozent rechnen Sie bei den Wahlen?

R-N: Unser Ziel ist, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen. Dann wären vier Frauen in der Bürgerschaft, da könnten wir schon entsetzlich viel Ärger machen.

Auch Politik?

R-N: Ja. Wir wollen eine Art Katalysatorfunktion erfüllen, und wünschen, daß die Frauen, die in den Parteien ihre Belange nicht nennen dürfen, zu uns kommen. Wir spielen dann die Buhfrau.

Wie ist Ihr Verhältnis zur angekündigten Frauenpartei?

Noltenius: Da wir aus Prinzip gegen Parteien sind, werden wir nicht beitreten. Aber wir werden sie auch nicht bekämpfen.

B-B: Ich halte die Parteigründung für ein totgeborenes Kind, weil unser Land ohnehin schon darunter leidet, daß es zu wenig Stärkung der Menschen an der Basis gibt. Fragen: Dora Hartmann

Das nächste Treffen der BFL findet am 28.2. um 19.30 Uhr im Bremer Frauen Club, Bahnhofstr. 32 statt.

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