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Die Rache ist lesbisch und laut

■ In Berlin haben sich die „Lesbian Avengers“, die lesbischen Rächerinnen, gegründet / Sie wollen auffallen und mit Aktionen für Rechte von Lesben kämpfen

In den USA machen die „Lesbian Avengers“ schon seit zwei Jahren Furore. Mit ein paar reiselustigen Berlinerinnen ist die Idee jetzt über den Ozean geschwappt. Seit Anfang des Jahres gibt es in Berlin die erste Gruppe der „Lesbischen Rächerinnen“ auf dem Kontinent. Mit spektakulären Aktionen für die Sichtbarkeit und die Rechte von Lesben wollen sie den öffentlichen Raum erobern. Eine handliche Bombe mit brennender Zündschnur ist das Emblem der Gruppen diesseits und jenseits des Atlantiks – ein Teil der Strategie, Lesben unübersehbar zu machen.

Mit dem Avengers-Logo haben die Berlinerinnen auch das „Lesbian Avengers Handbook“ übernommen und ins Deutsche übersetzt. Untertitel: Eine praktische Anleitung zur hausgemachten Revolution. „Wenn dich etwas wütend macht, komm zum Treffen“, schreiben die „Avengers“. Finden sich Mitstreiterinnen, werden Aktionen geplant. Das Rezept für den pragmatischen Aktivismus lautet: „Vermeidet unter allen Umständen alte, abgegriffene Taktiken. Sprechchöre, Mahnwachen und ähnliches machen alleine keinen Eindruck mehr. Sucht nach verwegenen, neuen Taktiken ...“

Kreativität und Phantasie sind gefragt. Bei ihrer ersten Aktion haben die Berlinerinnen mit einem Kiss-in auf dem Weihnachtsmarkt ein „Fest der lesbischen Liebe“ gefordert. Andere Aktionen existieren bisher nur in den Köpfen der Berliner Avengers und derer, die es werden wollen.

Die New Yorkerinnen haben da schon mehr vorzuweisen. So hefteten sie sich an die Fersen des homophoben Bürgermeisters von Denver/Colorado, der eigentlich in New York Werbung für seine Politik machen wollte, setzten lesbische Denkmäler oder besetzten die Redaktionsräume einer lesbenfeindlichen Illustrierten. Ihre Strategie: Eine Handvoll Lesben genügt für eine Aktion, wenn sie nur medienwirksam inszeniert wird.

Die „Rächerinnen“ in Berlin greifen eine Idee auf, die in der Hauptstadt bisher keine große Verbreitung gefunden hat. Derzufolge sind in ihrer Philosophie Politik und Vergnügen keine grundverschiedenen Dinge. Fasziniert sind die Berliner „Avengers“ nicht nur von dieser Kombination. Angetan sind sie auch vom Pragmatismus und der Effektivität der Gruppen. Endlose Grundsatzdiskussionen haben bei den auf zwei Stunden beschränkten Versammlungen keinen Platz. Statt dessen soll das Plenum ein Umschlagplatz für Aktionsideen sein, die in Arbeitsgruppen umgesetzt werden.

Aber läßt sich das US-Modell überhaupt auf die Bundesrepublik übertragen? Was bedeutet lesbische Sichtbarkeit im vergleichsweise liberalen Berlin im Gegensatz zum homophoben Amerika? Funktioniert die Mythenbildung via Medien hier in dem Maß wie in den USA? Und läßt sich ohne Theorie Politik machen?

Experimente mit Aktionsformen des amerikanischen Vorbildes hat es in Berlin schon mehrere gegeben. Eines war das Internationale FrauenAktionsBündnis, das 1992 mit viel Enthusiasmus zur Tat schritt. Bei der spektakulärsten Aktion damals gingen die Frauen angesichts der rassistischen Gewalt per Heißluftballon in die Luft. Kurz danach war jedoch Schluß mit dem Aktivismus, die Gruppe brach auseinander.

Politische Bewegungen folgen in Deutschland offenbar anderen Gesetzen als in den USA. Aber da die Berliner Rächerinnen kein Gelöbnis abgelegt haben, alles so zu machen wie ihre Vorbilder, darf frau gespannt sein, was sich Neues ergeben wird. Eines ist schon jetzt klar: Homophobie ist für sie nicht die einzig brauchbare Kategorie, die „lesbische Rache“ richtet sich auch gegen Rassismus und Sexismus. Momentan überlegen die „Avengers“ fieberhaft, mit welchen Aktionen sich der 8. März zu einem Tag der Lesben machen ließe. Ihr Motto heißt nicht etwa „heute müssen die Männer ihre dreckigen Socken selbst waschen“, sondern: „Die Rache ist lesbisch und laut“. Doris Maassen

Das nächste Treffen der „Lesbian Avengers“ findet am Mittwoch, den 1. März im Pelze, Potsdamer Straße 129 statt.

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