Steuerparadies Gewächshaus

Die Niederlande führten 1988 als erstes Land eine „Ökosteuer“ ein / Doch für die Umweltverbände ist die „ecotax“ nur Augenwischerei  ■ Aus Amsterdam Falk Madeja

Die holländischen Industrieprodukte, die gemeinhin als Tomaten deklariert werden, hat das NRC Handelsblad kürzlich als „Energie, die in rote Schalen verpackt ist“, beschrieben. Immerhin, die geschmacksneutralen roten Tennisbälle sind konkurrenzlos billig. Der Grund: Die guten Preise, die Hollands Bauern ihren ausländischen Abnehmern machen können, beruhen auf kräftigen Energiesubventionen. Das in den Niederlanden geförderte Erdgas wird ihnen zum Schleuderpreis verkauft, und damit heizen sie ihre Gewächshäuser billig hoch.

„Niemand weiß genau, was Gemüsebauern und andere Energie- Großverbraucher zahlen müssen“, sagt Aad van den Biggelaar, Direktor der Stiftung „Natuur en Milieu“ in Utrecht. „Die haben Geheimverträge mit Dumpingpreisen.“ Für das Jahr 1991 wurden die holländischen Strompreise der Großabnehmer bekannt – sie lagen im „günstigsten“ Fall bei weniger als zehn Pfennig pro Kilowattstunde. Ein Billig-Rekord in Europa. Selbst in Athen wurden damals von Großabnehmern mindestens elf Pfennige verlangt.

Diesen unökologischen Strompreisen steht ein in Ansätzen ökologisches Steuersystem gegenüber. Denn die Niederlande führten 1988 als erstes Land überhaupt eine „Öko-Steuer“ ein. Diese „ecotax“ wurde bis 1992 in Details mehrmals geändert und dann in eine kombinierte Energie- und CO2-Abgabe umgewandelt. Heute kassiert der Staat pro Gigajoule Energie umgerechnet 35 Pfennige und je Tonne CO2 4,20 Mark; das gilt für Benzin, Diesel, Heizöl, Kohle, Gase sowie petrochemische Produkte. Energieintensive Unternehmen wie Aluminium- hersteller bekommen die Steuern allerdings zurückerstattet. Denn die Mehrheit der Holländer teilt die Einschätzung ihrer Regierung, daß Umweltsteuern die Wettbewerbsfähigkeit des Landes nicht gefährden dürfen.

Für „Natuur en Milieu“ sind diese Öko-Steuern „reine Propaganda“. Damit würden lediglich die Löcher im Staatshaushalt gefüllt. „Öko-Steuern müßten über niedrigere Einkommensteuern zurückfließen, insgesamt einen neutralen Effekt haben. Das ist aber leider nicht der Fall“, sagt Kritiker van den Biggelaar.

Ab Januar 1996 soll es eine Erhöhung der Öko-Steuer geben – dann aber nur für Kleinverbraucher. Sie müssen mit umgerechnet sieben Pfennigen pro Kilowattstunde Strom und zwei Pfennigen pro m3 Erdgas zusätzlich rechnen. Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet, doch die Regierung in Den Haag gab Anfang 1995 schon mal bekannt, daß „Gewächshaus- Bauern“ und andere Großverbraucher verschont bleiben ... Kritik an der „ecotax“-Politik der Regierung kommt auch von dem in Umweltfragen ansonsten eher gespaltenen Linksbündnis „Groen Links“. Dessen Fraktionssprecher Bert Herberigs moniert, daß Christdemokraten, Rechtsliberale und Sozialdemokraten keine zusätzliche CO2-Reduzierung bis zum Jahr 2000 wollten. Die mitregierenden Linksliberalen fordern wenigstens eine minimale CO2- Reduktion. Groen Links wolle dagegen bis zum Jahr 2000 mindestens sechs Prozent und bis 2010 15 Prozent weniger Kohlendioxid- Emissionen erreichen.

Finanziert werden soll das CO2- Programm von Groen Links mit echten Ökosteuern, die umgerechnet etwa 27 Milliarden Mark einbringen könnten und über Steuersenkungen zum Teil zurückerstattet würden. Dabei könnten neben dem Energiespar-Effekt noch 29.000 Arbeitsplätze herauspringen, rechnen Wirtschaftswissenschaftler vor. Groen Links hat darüber hinaus interessante Ideen: Der Strompreis für Großverbraucher müsse auf den europäischen Mittelwert gebracht werden. Um die Konkurrenzfähigkeit zu wahren, sollten holländische Betriebe aber höchstens 12,5 Prozent mehr als die europäischen Konkurrenten zahlen. Freigestellt werden könnten Betriebe, die sich zu Recycling oder einer 20-prozentigen Energiereduzierung verpflichten. Auch der Autoverkehr soll nach den Vorstellungen von Groen Links weitaus stärker als bisher besteuert werden. Alle steuerlichen Absetzmöglichkeiten des Autos sollten gesenkt oder abgeschafft werden. Der Benzinpreis dürfe dabei maximal 67 Pfennige über dem belgischen oder deutschen liegen, der für Diesel 55 Pfennige. Die Einnahmen daraus sollen der Eisenbahn und der Binnenschiffahrt zufließen.

Auf konventionell erzeugtes Fleisch und andere Agrarprodukte sollten höhere, auf biologisch erzeugte Lebensmittel niedrige Mehrwertsteuern erhoben werden. Überhaupt sollten Fleisch, Fleischwaren und Tiefkühlprodukte mit einer höheren Mehrwertsteuer belegt werden, die Konsumenten dann über niedrigere Einkommensteuern entlastet werden. PVC müßte so hoch besteuert werden, bis die Verwendung sich nicht mehr lohnt.

Bis das erreicht ist, wird aber noch einiges Wasser durch den von holländischen Bauern stickstoffverseuchten Rhein geflossen sein. Bislang verkriecht sich die Regierung in Den Haag meist hinter den Richtlinien der EU. Da ist es ganz praktisch, daß die in Brüssel 1992 ausgearbeitete kombinierte CO2- und Energiesteuer für die gesamte Gemeinschaft nicht vorwärtskommt.