Mit vollen Taschen aus dem Parlament

■ Der Wahltermin und die Rechten: Abgezockte Gelder können nur schwer zurückgeholt werden

Der vorgezogene Wahltermin hat die Bürgerschaft ziemlich in Atem gehalten: Das Wahlgesetz mußte hopplahopp geändert werden, dann die Probleme mit Bremerhaven, aber was jetzt auf das Parlament zukommt, damit könnten die BremerInnen richtig Rechtsgeschichte schreiben. Denn zum ersten Mal in einem bundesdeutschen Parlament stellt sich die Frage, ob der Bürgerschaftspräsident scheidende Abgeordnete verklagen muß. Es geht um die rechten Sechs, die im Dezember 1991 als DVU-Fraktion in die Bürgerschaft eingezogen sind und nun unter DVU und „National-Konservative Gruppe“ firmieren. Die haben, wie bekannt, horrende Summen in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und nun muß die Bürgerschaft ihrem Geld hinterherlaufen. Denn am Ende der Legislaturperiode könnte es heißen: Die öffentliche Hand verschenkt sechstellige Beträge an rechte Abgeordnete.

Der Reihe nach: Die Geschichten über die Selbstbedienung der rechten Sechs würden mittlerweile ein Büchlein füllen. Vom selbstgewährten „Sicherheitszuschlag“ von 800 Mark für jeden Abgeordneten über die Finanzierung der dritten Zähne aus der Fraktionskasse bis hin zur großzügigen Geldspritze für den DVU-Chef Gerhard Fey im fernen München – jedesmal, wenn wieder ein neuer Skandal an die Öffentlichkeit kam, jedesmal, wenn der Rechnungshof in die Bücher der rechten Gruppen guckte, sträubten sich den PrüferInnen die Nackenhaare. „Sowas ist noch nie vorgekommen“, stöhnte Bürgerschaftspräsident Dieter Klink.

Der hatte mit den Rechtsaußen-Truppen reichlich zu tun. Wiederholt sperrte er die Fraktions-, und als die sich in zwei Gruppen gespalten hatte, die Gruppenzuschüsse, um das abgezockte Geld wieder in die Staatskasse zurückfließen zu lassen. Zuletzt hatte Klink auf einen Prüfbericht des Landesrechnungshofes prompt reagiert und den Geldhahn bis auf ein politisches Existenzminimum dicht gemacht. Jetzt stellt sich heraus: Es reicht nicht, nur die öffentlichen Zuschüsse an die DVU und die NK einzubehalten. Wenn die Legislaturperiode endet, wird die DVU immer noch die Taschen voller Steuergelder haben.

Die Rechnung ist ziemlich simpel. Der Rechnungshof hat geprüft, der Bürgerschaftspräsident hat zusammengezählt: Mehr als 250.000 Mark will die öffentliche Hand allein von der DVU zurückhaben, nochmal über 100.000 Mark von der NK. Beispiel DVU: Seit Dezember letzten Jahres sind die Gruppenzuschüsse von 18.000 Mark auf rund 6.200 Mark zusammengekürzt. Macht einen Abzockerabtrag von 11.800 Mark pro Monat. Bis zum Juni dauert die Legislaturperiode noch, das bedeutet einen Abtragszeitraum von sieben Monaten, macht summasummarum 82.600 Mark, die die DVU qua Zuschußpfändung an die Staatskasse zurückgegeben hat. 82.600 von 250.000. Die vier Monate bis zum regulären Ende der Legislaturperiode hätten den Kohl auch nicht fetter gemacht. Die Bürgerschaft war ein gutes Geschäft für die Rechten.

Wo soll das Geld bloß herkommen, wenn die nicht mehr im Parlament sitzen? Diese Frage bringt die Verwaltung ins Schwitzen. Die Bremer Selbstbedienung ist einmalig in der Republik, es gibt keine Präzedenzfälle. „Da würde die Bremer Bürgerschaft Rechtsgeschichte schreiben“, sagt Rechnungshofpräsident Hartwin Meyer-Arndt. „Wir sind uns im Rechnungshof-Kollegium noch nicht einig, aber ich finde schon, daß man da klagen müßte.“ Dagegen gibt es erhebliche Zweifel. Es ist sehr unsicher, ob ein solcher Prozeß am Ende tatsächlich Erfolgsaussichten hat, wird unter Juristen diskutiert. Denn: Selbst wenn die Bürgerschaft gewinnen würde, kaum jemand nimmt an, daß bei den dann ehemaligen Abgeordneten viel zu holen ist. „Alles verpraßt“, das ist das frustrierende Argument gegen die Klage.

Der Bürgerschaftspräsident läßt die Rechtslage zur Zeit prüfen, die Bürgerschaftsfraktionen haben an diesen Aspekt während der turbulenten letzten Wochen gar nicht gedacht. Es herrscht allerdings fraktionenübergreifende Einigkeit über das, was FDP-Fraktionsgeschäftsführer Neubrander sagt: „Das müssen wir schnell anpacken.“ J.G.