■ Das Portrait
: Jack Clayton

Noch mehr Tiefausläufer, noch mehr Melancholie aus Großbritannien: Der Filmregisseur Jack Clayton ist tot. Er trat zwar nur wenige Male in der Filmgeschichte in Erscheinung, aber wenn, dann saß es: Sein erster Spielfilm, „Room at the Top“, porträtierte einen ehrgeizigen und schon ein bißchen zornigen jungen Mann, der seine wahre Liebe, Simone Signoret, einem zynischen Karriereschachzug opfert, wobei er die Tochter des Industriemagnaten schwängert. Für seine relativ explizite Zzexxualität erhielt der Film das erste der gefürchteten X-Ratings. Es war das erste Mal, daß im britischen Kino selbstbewußt mit dem Klassendünkel operiert und offen mit Markennamen um sich geworfen wurde. Prompt war das Kino der Angry Young Men mit seinem „Spülbecken“-Realismus geboren – was aber Clayton nicht interessierte. Clayton, der zunächst Eisschnelläufer (!) gelernt hatte, war in den vierziger Jahren in der Filmeinheit der Royal Air Force gewesen, bis er schließlich sogar Offizier in dieser Branche wurde. Solchermaßen mit dieser gewissen britischen gestählten Melancholie ausgestattet, konnte man ihm natürlich nicht mit einem Klassenstandpunkt kommen. Sowohl das inzwischen zum Klassiker des sozialen Realismus avancierte „Saturday Night and Sunday Morning“ als auch „The L-Shaped Room“ hatte er zu inszenieren abgelehnt. Statt dessen wandte er sich einem viktorianischen, eher literarischen Stoff zu, nämlich Henry James' „The Turn of the Screw“, der gar nicht so weit VerstorbenFoto: St. James Press

vom obszönen Fluch „Screw you!“ entfernt ist, wie man zunächst gerne denken möcht'. Es handelt sich um das Porträt einer Gouvernante, die ihre zwei Schützlinge vor dem Zugriff zweier lüsterner Hausangestellter zu bewahren versucht – aber weder Buch noch Film löst jemals völlig auf, ob es sich dabei nicht um brennende eigene Begehren der Dame handelt. (Spielen tat Deborah Kerr, wer sonst?) „The Great Gatsby“ (1974) war seine eiskalte Version von F. Scott Fitzgeralds Juppie-Legende der 20er Jahre; zwar war die Welt so glitzy, wie Fitzgerald sie angelegt hatte, aber die Akteure waren aus hauchdünnem Material; ein Kameraschwenk konnte sie hinwegwehen. In diesem Sinne sowohl an amerikanischer wie an weiblicher Sensibilität geschult, entwickelte Clayton in der Folgezeit eine Art Kalligraphie beim Zeichnen seiner Figuren, bei der ihm nur noch Harold Pinter Gesellschaft leisten konnte. Mariam Niroumand