S. kommt an

■ Schwester S. rappte im Modernes ihre Mentoren vom ,,Rödelheim Hartreim Projekt“ an die Wand

Wer am vergangenen Freitag dem gähnend leeren HipHop-Jam in Vegesack beiwohnte und sich am Montag versuchte, ins Modernes zum „Rödelheim Hartreim Projekt“ zu quetschen, kann das Bremer Nord/Stadt-Gefälle in Bezug auf HipHop-Interesse kaum leugnen. So viele begehrten Einlaß, daß etliche den Support-Act Schwester 5. verpaßten. Und da verpaßten sie wirklich etwas. Keine Sekunde mußte die körperlich klein geratene Rapperin befürchten, neben ihren beiden langbeinigen Tänzerinnen unbeachtet zu bleiben. Selbstbewußt und noch unverkrampfter als auf ihrem Debüt-Album „S. ist soweit“ brachte sie gerade mit introvertierten Songs wie „Frau im Spiegel“ oder „Ich bin raus“ eine Intensität auf die Bühne, wie sie bei der Live-Umsetzung der stark produktionsabhängigen HipHop-Musik selten erreicht wird. Da brauchte es keine hohlen Mitmach-Parolen, um das Publikum zu überzeugen. Zur Zeit ist sie die vielversprechendste deutsche Attraktion ihrer Musikrichtung, und zwar geschlechtsübergreifend.

Es erfreut das Herz, daß das Hannoveraner „Rödelheim Hartreim Projekt“ sich lautstark gegen das orthodoxe HipHop-Reinheitsgebot solcher Dogmatiker wie „Advanced Chemistry“ ausspricht und Newcomern wie Schwester 5. zu Ruhm und Plattenvertrag verhilft. Schade nur, daß die Songs von Moses P. und Thomas H. selbst eher altbacken daherkommen. Hinter der exzellenten Produktion, die ihr Album „Direkt aus Rödelheim“ zum Hit machte, verbergen sich oft gehörte Mithüpf-Grooves und teils arg gequälte Reime. Das kam auch live zum Tragen. Die Begleitband versuchte, das mit satter Instrumentierung zu kaschieren, tat aber oft zuviel des Guten. So geriet schonmal ein eigentlich recht liebenswertes Stück wie „Keine ist“ zu einer unsäglichen Metal-Ballade samt wimmernder E-Gitarre. Überzeugen konnten hingegen zwei Stücke aus dem anstehenden zweiten Album. Das relaxte „Sei mal ehrlich“ stand den Jungs weitaus besser zu Gesicht als ihre hektischen Hits, und das funkige „Mein Style“ bot Party-Stimmung ohne Reue. Vielleicht Anlaß zur Hoffnung, daß RHP ihrem Ruf als Stars der Szene tatsächlich irgendwann gerecht werden.

Gerecht wurde Moses P. am Montag vor allem seinen Ruf als Provokateur. Über seinen Bierbauch hatte er unkommentiert ein T-Shirt der „Böhsen Onkelz“ gestreift, jener umstrittenen Kult-Band des rechten Lagers, in der er einst den Baß zupfte. Im Publikum resultierte das in vereinzelten „Scheiß-T-Shirt!“-Schreien!, die aber in der allgemeinen Jubelstimmung untergingen. Etwas deplatziert wirkten auch die drei grimmig blickenden Ordner auf der Bühne, die beim disziplinierten Publikum eigentlich nichts zu ordnen hatten. Die größte Begeisterung kam bezeichnenderweise auf, als Schwester S. im Hauptprogramm noch einmal für zwei gemeinsame Songs auf die Bühne kam und den bemüht bösen Buben zeigte, daß HipHop auch unverbissen geht.

Andreas Neuenkirchen