■ Zum Streik in der Metallindustrie: Autos kaufen keine Autos
Während der Einzelhandel über Umsatzrückgänge klagt, räsonieren die Metallarbeitgeber im aktuellen Tarifkonflikt einmal mehr über das Hochlohnland Deutschland. Gleichzeitig künden die Wirtschaftsseiten von traumhaften Gewinnerwartungen in der westdeutschen Industrie. Selbst die eben noch vom akuten Kollaps bedrohte Stahlbranche verdient wieder richtig Geld. Daß der Einzelhandel gleichwohl stöhnt, ist so unerklärlich nicht. Während die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im letzten Jahr um brutto 13 Prozent stiegen, wuchs die gesamtgesellschaftliche Lohn- und Gehaltssumme brutto nur um 0,5 Prozent. Abgaben- und Steuererhöhungen schränkten die Massenkaufkraft zusätzlich ein. So fehlen dem Einzelhandel Kunden. Daß Autos nicht Autos kaufen, wußte schon Henry Ford. Es sind die Menschen, deren Einkommen Märkte schaffen und so Wohlstand sichern.
Eine Politik, die die Reichen immer reicher werden läßt, führt die ganze Gesellschaft auch ökonomisch in einen Abwärtsstrudel. Da bilden die Zahlen aus dem letzten Jahr leider keine Ausnahme. Im Gegenteil! Zwischen 1982 und 1991 kletterten die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nach den Berechnungen des DIW um 123 Prozent. Die Einkommen der abhängig Beschäftigten stiegen dagegen nur um 44 Prozent.
Mittels Tarifpolitik schaffte es noch keine Gewerkschaft in Deutschland, diesen Trend zu stoppen, oder gar umzukehren. Gleichwohl gehört die Klage über die zu hohen deutschen Löhne und das Gerede vom Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit noch zu jeder Tarifrunde. Doch mit den Wettbewerbsproblemen haben die national vereinbarten Löhne kaum etwas zu tun. Zwischen 1980 und 1992 sind die Lohnstückkosten in Frankreich, England, Italien oder Spanien in heimischer Währung weit stärker gestiegen als in Deutschland. Erst wenn man diese Kosten auf eine DM-Basis umrechnet, ergeben sich umgekehrte Verhältnisse. Hochlohnland ist Deutschland deshalb nicht wegen der nationalen Lohnpolitik geworden, sondern allein wegen des jahrzehntelang währenden Aufwertungsprozesses der DM.
Keine Lohnpolitik kann solche Aufwertung kompensieren. Drei oder vier Prozent mehr Lohn in der Metallindustrie tangiert die internationale Wettbewerbsfähigkeit deshalb so gut wie nicht. Gegenteilige Behauptungen werden auch durch Wiederholungen nicht wahr. Walter Jakobs
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