Doch lieber nichts ändern

■ Hearing zur Bibliotheksumstrukturierung in Bremen: Außer den Grünen will keiner an die Bezirksbücherein ran

Endlich schwappen die Wogen der Unzufriedenheit über den Rand der heimischen Badewanne hinaus, näßen den Badevorleger ein und schon kriecht der erste kleine Bach unter der Tür hindurch. Der Aufschrei folgt postwendend. Und damit ist das Ziel erreicht, Öffentlichkeit, in diesem Fall für die Umstrukturierung der Bremer Bibliotheken, ist hergestellt.

Am Dienstag abend übernahm diese Funktion ein öffentliches Hearing, veranstaltet vom Bremer Landesverband der deutschen Bibliotheken. Der hatte die Vertreter der politischen Parteien in die Stadtwaage geladen. Endlich sollten sie zur Situation um der Bremer Büchereien ihren Standpunkt offenlegen.

Vorangegangen war das schon heftig gescholtene Konzept der Kultursenatorin. Das will mit 16 Bibliotheken nun doch eine große Anzahl von Büchereien erhalten. Sie wagt es, die bestehenden 12 Bezirksbüchereien auf vier große, technisch besser ausgestattete Bezirksstellen zu konzentrieren.

Thomas Becker (FDP) verwahrt sich gegen den Vorschlag der Kultursenatorin. Er will die dezentrale Lösung beibehalten. „Oft genug ist die nahe gelegene Bibliothek im Stadtteil für Jugendliche der einzige kommunikativer Ort“. Allerdings, so mußte er sein eigenes Argument relativieren: „das heißt doch eigentlich, daß die Sozialpolitik versagt hat.“ Etwa 10 Standorte will die FDP erhalten.

In diesem Tenor ging es weiter. Für die SPD verteidigte Carmen Emigholz das sozialdemokratische Erbe der vielen dezentralen Stadtteilbibliotheken der Stadt. „Unerträglich“ sei der Vorschlag aus sozialdemokratischer Sicht, die SPD fordere soweit als möglich den Erhalt aller Bezirksbüchereien. “ Unser besonderes Anliegen ist die Integration von Jugend- und Erwachenenbücheren als familiengerechte Büchereien“, ergänzt der Kulturdeputierte Helmut Hadre.

Und auch die CDU entdeckt ihr Herz für ein dezentrales Bibliotheksnetz. Zwar mußte Jörg Karstendieck als einziger auf dem Podium auf Befragen zugeben, gar keinen Bibliotheksausweis zu besitzen. Aber für den Rest der Bremer Bevölkerung sollen nach Wunsch der CDU sogar 13 Bezirksbüchereien erhalten bleiben.

Karin Krusche von den Grünen erläuterte schließlich noch einmal den Entwurf der Senatorin. Ein Umstrukturierung und Konzentration auf wenige Bibliotheken müsse sein: „Gerade für Jungendliche ist eine größere wirklich moderne, gut ausgestattete Bezirksbibliothek attraktiv. Wenn sie technisch was zu bieten hat, wird sie auch aus der Ferne besucht werden. Die gondeln doch eh immer in die Innenstadt.“ Aber darauf ließ sich niemand ein. Von dort wurde sogar explizit fordert: „kuscheliger Bibliotheken“ zu erhalten, die dürften ruhig ein wenig schmuddelig sein.

Immer klarer wurde im Verlauf des Hearings: Nicht nur die natürliche Beharrung läßt den Menschen konservativ werden und Neues ablehnen, auch Erfahrungen bringen ihn dazu. Zwar waren sich alle Parteien einig, daß die Zentralbibliothek in ein neues Gebäude müsse, aber die Frage, was mit dem Rest der 30 Bibliotheken geschehen solle, nahm geradezu philosophische Dimensionen an. Nein, hieß es wieder und wieder, von grundsätzlichen Veränderungen, Stuktursentscheidungen gar hätte man nun genug. Am deutlichsten brachte es Carmen Emigholz von der SPD auf den Punkt. Aus der Umstrukturierung der Schulwesens habe man doch gelernt, was einmal geschlossen wurde kommt nie wieder. „Damals hat man auch die Schulen einfach geschlossen. Jetzt, sehen wir doch wohin das führt“

Der Zuhörer fragte sich, was dies Beispiel in Bezug auf die Büchereien bedeuten könne, wäre es möglich, daß im Jahre 2000 plötzlich genung Geld da ist, dann alle ehemals 44 Zweigstellen wieder zu betreiben. Susanne Raubold