Sanssouci: Vorschlag
■ Lakatos/Foster/McBee/ Brackeen im Quasimodo
Manchmal gehn die Dinge einen merkwürdigen Gang. Al Foster war nicht beim letzten JazzFest, weil er in der falschen Band trommelt. Im Trio von Joe Henderson nämlich, und das war zu teuer. Cecil McBee, einer der meistbeschäftigten New Yorker Bassisten, kommt nur selten nach Berlin. In diesem Fall als Ersatz für George Mraz. Und Joanne Brackeen, ja Joanne Brackeen. Auch sie kommt als Ersatz, in diesem Fall für Kirk Lightsey. Möglich macht das alles ein Mann, der sich sonst eher als Fusion-Bläser engagieren läßt, hier aber ganz akustisch hardbopt; der Saxophonist Tony Lakatos. Tony Lakatos F.: Detlev Schilke
Seine neueste Platte „The News“ (Jazzline) ist Musik für Dialektiker, die zwischen Tisch und Matratze schwanken. Sie macht satt und hungrig zugleich.
Was bei der heutigen Ausnahmesession gewiß rumkommt, ist ein antiakademischer Nachhilfe-Set zum Thema Jazz als Lebenshaltung. Dafür steht Lakatos spätestens seit seiner 92er CD „Recycling“ (Jazzline), und sein mittfuffziger Quartett sowieso. Joanne Brackeen paßt nicht ins neopuristische Jazz-Klischee. Sie spielt Klavier, ging aber auf keine Uni. Sie wurde von der männlichen Kritik zum potentiellen Leitbild der emanzipierten Jazz-Pianistin stilisiert und widmete sich zehn Jahre lang der Erziehung ihrer Kinder aus der Musikerehe mit dem Saxophonisten Charles Brackeen. Sie selbst sprach von „männlichen Klavierspielern, die wie Ladies klingen“ und ersetzte mit ihrer Linken jahrelang das Schlagzeug in ihrer Band. Für eine richtige Karriere kam die Autodidaktin also zu spät, ihre eigentliche musikalische Ausbildung begann die damals 31jährige 1969 als Pianistin bei Art Blakeys Jazz Messengers. Nach drei Tourjahren durch Japan und Europa landete sie bei Joe Henderson und später bei Stan Getz, Freddie Hubbard und Charles Lloyd. Seit 1976 auch mit eigenen Bands und Platten unterwegs, 1977 (von den ausharrenden Kritikern) als Entdeckung der Berliner Jazztage gefeiert, spielt sie – wie Lakatos übrigens auch – vornehmlich Selbstkomponiertes. Und sei es nur, um sich ihres eigenen Statements zu vergewissern, nach dem Standards lediglich Kompositionen seien, die andere schrieben, „aber irgendwann möchte man doch auch selbst erfahren, wozu man hier ist“. Und darum geht es heute abend. Christian Broecking
Heute, 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg
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