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Nachschlag

■ „Neue Arbeiten“ von K.J. Schoen in Hohenschönhausen

„Poesie ist Philosophie im Urlaub“, hat der niederländische Dichter Jan Hanlo einmal gesagt. Entsprechend ließe sich Abstraktion als Urlaub für die bildende Kunst, für die Architektur, für alles Visuelle bezeichnen. Formen und Farben müssen sich nicht mehr bemühen, etwas zu gestalten – einen Baum, ein Haus, das Gesicht eines schönen Mannes – sie dürfen nur sich selbst zeigen. Der 1931 im damaligen Königsberg geborene Konkrete Künstler K.J. Schoen zeigt das jetzt aufs neue im Mies-van-der- Rohe-Haus in Hohenschönhausen. Seine Bilder und das 1933 gebaute Landhaus Mies van der Rohes sind von derselben geometrischen Formensprache geprägt, aber die Auswirkung ist eine andere. Haben bei Mies Quadrat und Rechteck eine Funktion – es sind einfach Zimmer –, ist bei Schoen ein Rechteck ein Rechteck. Mehr noch als in der Architektur geht es hier um reine Verhältnisse von Formen und Farben. Es ist ein altes, fast altmodisches Spiel, das Schoen spielt – ein Spiel, das Mondrian und Malewitsch in die bildende Kunst eingebracht haben. Aber wen das nicht stört, der kann für dieses Spiel immer wieder neue Regeln erfinden.

Schoen beschäftigt sich in den neuen Arbeiten zum Beispiel nur mit schmalen Rechtecken, die er mit höchstens vier Farben ausfüllt. Sie bilden auf jedem Tuch drei große L-Formen und ein kleines Rechteck. Manchmal sind die Farben völlig unterschiedlich, oft bilden verwandte Töne Paare: auf einem Bild sind z.B. hell- und dunkelgrau, rosa und rot vereinigt. Es macht Spaß, an Schoens Spiel teilzunehmen. Widerspiegeln die Formen sich nun oder nicht? Warum scheint das Blau einmal in den Vordergrund zu rücken und sich dann wieder im Hintergrund zu verstecken? Die Bilder sind in der Art Mark Rothkos, doch ohne Wärmeausstrahlung. Schoen behauptet, daß seine elegante, kühle Kunst nicht nur ein rationelles, mathematisches Verfahren sei, sondern auch von subjektiven Entscheidungen geprägt. „Die gefühlsmäßigen Ausdruckwerte dürfen nicht durch das Sieb rationeller Formulierung fallen, denn gerade sie gilt es zu bewahren und hervorzuheben“, schrieb er 1987. Das Wort, mit dem diese zwölf Bilder sich am besten kennzeichnen lassen, ist „gebildet“. Sie sind Ausdruck und Resultat einer bestimmten Zivilisation, die es dem Geist ermöglicht, in Urlaub zu fahren. Das Mies-van-der-Rohe- Haus ist ein ausgezeichneter Ausstellungsort für diese Bilder, nicht zuletzt, weil es bis 1990 ein Gästehaus der Stasi war. Bianca Stigter

K.J. Schoen: „Neue Arbeiten“ bis 9. 4., Di-Do 13-18 Uhr, Sa/So 14-18 Uhr, Mies-van-der-Rohe-Haus, Oberseestraße 60, Hohenschönhausen. „Neue Bilder und Arbeiten auf Papier“ vom 3. 3. bis 22. 4., Mi-Sa 14-19 Uhr, Kunsthaus am Moritzplatz, Oranienstraße 46, Kreuzberg.

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