Einen Tag und eine Nacht in der NS-Folterkammer

In diesem Jahr, in dem man des Kriegsendes vor 50 Jahren gedenkt, erinnern zwei Berliner Künstler an die Anfänge des Naziterrors. Am Dienstag ließen sich Fritz Gilow und Manfred Gräf für 24 Stunden im Wasserspeicher an der Belfortstraße in Prenzlauer Berg einschließen. Dieser Speicher wurde im März und April 1933 von den Nazis als „wildes Konzentrationslager“ genutzt: als provisorische Folterkammer.

Die Performance von Gilow und Gräf war auf zwei neben den Eingang des Wasserspeichers plazierten Monitoren zu verfolgen. Die Künstler haben ihre Körper in Blei abgeformt. Die glitzernden Hüllen lagen im Inneren des Speichers, und die Künstler – in dicke Mäntel gekleidet – stellten sich daneben, liefen im Raum herum und leuchteten mit einer Taschenlampe in die Kamera. Gräf gehört zur Kriegs-, Gilow zur Nachkriegsgeneration. Sie wählten den 28. 2. für ihre Performance in Anlehnung an den 28. 2. 1933, an dem nach dem Reichstagsbrand eine „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ erlassen worden war, die alle bürgerlichen Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft setzte.

Offensichtlich war es die Absicht der Künstler, die Vergangenheit dieses Geländes, das jetzt eine Grünanlage mit einem Spielplatz ist, wieder in Erinnerung zu bringen. Allerdings: vergessen war es auch bislang nicht. Auf der Seite der Knaackstraße steht ein kleines Denkmal – eine Backsteinmauer mit Bronzeplakette, gegenwärtig mit frischem Tannengrün geschmückt, erinnert an die Opfer des Faschismus. Die Künstler rücken das Geschehen in die Gegenwart, weil sie wirklich 24 Stunden im Wasserspeicher verbringen. Aber gerade das macht ihre Performance hochmütig. Denn das Elend der Opfer läßt sich nicht nachfühlen, und ist auch nicht aufs neue erfahrbar. Doch genau das versuchen die Künstler auf der „Suche nach eigenen und fremden Leiden“. Zweifellos war es sehr kalt und dunkel in dem Speicher. Doch die Performance geriet zu einer bitteren Farce. Bianca Stigter

Foto: Rolf Zöllner