Bausenator Wolfgang Nagel links überholt

■ Nach Diepgen (CDU) fordert auch Thierse (SPD) eine Kappungsgrenze bei Neuvermietungen im Osten / Nagel hatte „Mietenkompromiß“ verteidigt

Der am vergangenen Donnerstag zwischen den ostdeutschen Bauministern und Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) ausgehandelte Mietenkompromiß muß nach Ansicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Thierse nachgebessert werden. Thierse forderte gestern insbesondere eine Begrenzung des Mietanstiegs bei Neuvermietungen. Ohne eine solche Regelung, kritisierte er, werde der Mietspiegel im Osten verdorben, so daß es zu einer rasanten Steigerung der Vergleichsmieten komme. Thierse forderte außerdem eine gesamtdeutsche Neuregelung des Wohngelds. Ohne diese beiden Regelungen, warnte der Bundestagsabgeordnete, werde die SPD-Bundestagsfraktion dem Vergleichsmietengesetz im Bundestag nicht zustimmen. Zwei Tage zuvor hatte auch der Regierende Eberhard Diepgen eine Kappungsgrenze für Neuvermietungen gefordert.

Die Intervention von Diepgen und Thierse war offenbar nötig geworden, weil Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) die von den Länderministern und Töpfer vereinbarte Mietsteigerung um 15 Prozent ab 1. August bis Ende 1997 zunächst verteidigt hatte, obwohl man sich auf eine Kappungsgrenze bei Neuvermietungen nicht hatte einigen können. Nagel hatte Ende letzter Woche gegenüber der Presse erklärt, die Ost-Bauminister hätten sich verpflichtet, den Kompromiß gegenüber ihren Kollegen zu vertreten. Begründung: Die Frage der Mieten eigne sich nicht zum Parteienstreit. Gestern nun dementierte Nagels Sprecherin Petra Reetz. Der Bausenator hätte nur den gefundenen Kompromiß über die Mieterhöhung verteidigt. Bei der Kappungsgrenze müsse natürlich nachverhandelt werden.

Weniger Schlangenlinie fährt der brandenburgische Bauminister Hartmut Meyer (SPD). Wenn im Bundestag ein Gesetz ohne die geforderte Begrenzung der Neuvermietungsmieten eingebracht werde, hieß es gestern erneut aus Potsdam, werden zumindest die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt im Bundesrat eine Initiative für eine solche Kappungsgrenze einbringen. Gedacht ist an eine Begrenzung der Neuvermietungsmieten auf 15 Prozent.

Die Berliner SPD konnte sich gestern nicht zu der Frage äußern, ob sie den „Kompromiß“ vom vergangenen Donnerstag trotz der fehlenden Begrenzung nun verteidige oder ihn genau deshalb ablehne. Thierses Forderung, meinte aber SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung, sei zunächst die Meinung der SPD-Bundestagsfraktion. Und, so ist hinzuzufügen, auch die des Regierenden Bürgermeisters. Ob mit oder ohne Bausenator. Garantiert ohne Wolfgang Nagel wird heute abend um 18 Uhr der „Kompromiß“ über die Vergleichsmieten Gegenstand einer Diskussion mit Klaus Töpfer in der Prenzelberger Gethsemanekirche stattfinden. Offenbar will der Bausenator Nagel doch keinen Parteienstreit mit dem Bundesbauminister anzetteln. Uwe Rada