: Oh heiliger Yeboah, hilf!
Nach schlichtem 1:1 gegen Turin hofft Jupp Heynckes vage, daß „im UEFA-Pokal“ selbst für die Eintracht „alles möglich“ sei ■ Aus Frankfurt/Main K.-P. Klingelschmitt
Die Fassenacht an Rhein und Main liegt bekanntlich am Tag nach Rosenmontag schon in den letzten Zügen. Wer aber vor Aschermittwoch noch einmal so richtig ablachen wolle, so die närrische Empfehlung der Kollegen der FAZ, müsse statt zum Lumpenball ins Waldstadion gehen. Dort nämlich spiele die Eintracht im UEFA- Pokal gegen Juventus Turin: „Bindewald gegen Vialli.“
Bindewald gegen Vialli war dann tatsächlich zum Ablachen. „Vom Bindewald darfste kein Ball annehme, denn der kommt immer wie e Ei geflattert“, meinte einer der sach- und fachkundigen alten Knodderer vom Riederwald auf der Haupttribüne. Tatsächlich sind die Schüsse von Uwe Bindewald (meist zum Zwecke eines Rück- oder Querpasses verwendet) gefürchtet – bei den Kollegen von der Eintracht. Und vom schnellen Gianluca Vialli sah der brave Fußwerker oft nur die Rückennummer auf der Gefängniskleidung von Juve. So auch, als jener Giancarlo Marocchi die Vorlage zum 1:0 servierte (36.).
Seine alte Lachnummer gab an diesem naßkalten Abend auch Jan Furtok zum Besten. Titel: Wie mache ich aus fünfzehn echten Chancen ein Stolpertor? Jenes immerhin unterlief dem Polen (73.) – nach Vorarbeit von Okocha. Konkurrenz im eigenen Lager belebt offenbar im übrigen das Geschäft. Denn auch Ralf Falkenmeyer wollte die (Ab-)Lacher auf seiner Seite haben. Der Mann, den sie in Frankfurt „Keule“ nennen, hatte allerdings nur eine hochkarätige und etwa fünf karätige Chancen. Doch dafür schoß er auch kein Tor.
Damit sind die Akteure bei der Eintracht benannt, die glaubten, den diesmal immerhin 40.000 im Waldstadion – darunter etwa 10.000 ItalienerInnen – wieder einmal diverse Akte aus komischen Opern vorführen zu müssen. Denn die letzten verbliebenen Leistungsträger, allen voran Ralf Weber und Jay Jay Okocha, gingen zum tatsächlichen Amüsement des Eintracht-Freundeskreises so engagiert zu Werke, daß der (Fiat-)Motor von Juve, der seit Monaten auf Hochtouren läuft, temporär mit Fehlzündungen reagierte. Fiat – Fehler in allen Teilen? Mitnichten. Auch wenn die Eintracht nach Auffassung von Trainer Jupp Heynckes in der ersten Halbzeit ihr „bestes Saisonspiel“ zeigte, war Juve über die 90 Minuten hinweg immer gefährlich. Eine „Augenweide“ war es Heynckes, zu erleben, wie schnell die Mannschaft von Marcello Lippi von Abwehr auf Angriff umschalten konnte. Daß die Eintracht bei diesen schnellen Kontern nicht mehr als das eine Tor fing, lag daran, daß die Abwehr- und Mittelfeldspieler von Turin immer wieder Gianluca Vialli auf die kurze Reise zu Andreas Köpke schickten. Darauf vorbereitet standen Weber, Zchadadse und manchmal sogar Bindewald im Abwehrzentrum der Eintracht oft richtig – wodurch Vialli das Nachsehen hatte.
Aus dieser, also relativ sicheren, Abwehr trieben vor allem Okocha und Weber den Ball recht gefällig bis zur Turiner Strafraumgrenze. Es spielten Okocha und Furtok gar Doppel- und Triplepässe, düpierten wiederholt den kompakten Didier Deschamps, doch fehlten die Künstler schließlich beim Torschuß. Es war allerdings Falkenmayer, der das größte Kunststück darbot: Acht Meter freistehend vor dem Tor von Angelo Peruzzi schoß er acht Meter über das Tor. Oh heiliger Yeboah, hilf! Mit dem stolzen Ghanaer, da waren sich die „Experten“ in der VIP-Lounge sicher, hätte die Eintracht zum Rückspiel in Turin mit einem Vorsprung von „mindestens drei Toren“ fahren können.
Das 1:1 im Waldstadion läßt nun eben Juve alle Chancen auf den Einzug in die nächste Runde. „Voll in Ordnung“ fand daher der elegante Trainer Marcello Lippi Spiel und Ergebnis. Mit neuerdings wieder hochrotem Kopf lobte Jupp Heynckes seine Mannschaft. Die Eintracht habe bewiesen, daß sie „noch guten Fußball spielen“ könne. Und im UEFA-Pokal, so nährte Heynckes aufkeimende Hoffungen, sei schließlich „alles möglich“. Er habe, so der Weitgereiste weiter, „als Spieler und Trainer schon sehr große Überraschungen erlebt“. Fünfzehn richtig große Chancen für Furtok, damit der für die Eintracht schließlich irgendwann das entscheidende Tor zum 1:0 markieren kann? Wer's glaubt, wird selig. Wer's aber nicht glauben mag, kommt auch in den Himmel – als „Zeuge Yeboahs“.
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