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Fußball mit der Maurerkelle

Champions League, Viertelfinale: Bayern München – IFK Göteborg 0:0 / Bayerns Herrlichkeit dauerte nur eine halbe Stunde  ■ Aus München Werner Steigemann

Nur 30 Minuten dauerte das Frühlingserwachen der Bayern vor 46.000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion. Nie zuvor war eine Mannschaft von Trainer Giovanni Trapattoni offensiver aufgestellt worden als die der Münchner an diesem Abend. Auf diese Weise sollte die Viererabwehrkette des schwedischen Meisters IFK Göteborg über die Außenpositionen überwunden werden; dies zumindest hatte Herr Trapattoni seinen Jungstars vor dem Spiel wohl erklärt. Aber entweder besitzen die Bayern-Spieler lediglich ein Kurzzeitgedächtnis, oder sie verstehen den Dozenten aus Italien nicht. Denn nach gutem und intelligentem Beginn versandeten alle Ideen der Münchner im Mauerwerk der aufopfernd und bieder kämpfenden Schweden.

Strategie und Taktik ist in dieser Saison die Sache der Bayern-Elf nicht. Genaugenommen können Strategien und Systeme das Spiel ohnehin nie wirklich beherrschen, da das Spielgeschehen, die Geschicklichkeit bestimmter Spieler und die Weigerung anderer, sich auf eine Rolle festlegen zu lassen, alle noch so sorgfältig festgelegten Pläne über den Haufen werfen. Trapattoni versucht zwar, die Individualität seiner Spieler zu unterdrücken und verlangt blinden Gehorsam gegen seine komplexen theoretischen Schemata. Aber selbst so ein weit denkender Mann wie er mußte wieder einmal erkennen, daß er keine Gewalt über den Verlauf eines Spieles besitzt. Er konnte nur zähneknirschend zuschauen, wie die Akteure ihre persönlichen Eigen- und Unarten entfalteten und sich von ihrem Instinkt für das Unerwartete und Nichtvorhersehbare leiten ließen.

Der Beginn der Viertelfinalpartie jedoch gestaltete sich kurzweilig. Der Münchner Nerlinger verfolgte hartnäckig den Göteborger Spielmacher Rehn über den gesamten Rasen, damit waren alle schwedischen Bemühungen, den Ball irgendwie in die gegnerische Hälfte zu befördern, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Auf der anderen Seite konnten die Bayern mit ihrem technisch versierten Dampfplauderer Mehmet Scholl als zentraler Mittelfeldfigur die hochgepriesene Viererkette der Göteborger mehrmals ansehnlich überspielen. Bereits nach fünf Minuten knallte Witeczek, der seit Jahren nur selten in der Nähe eines Tores zu sehen ist, den Ball an den Pfosten. Kurz darauf scheiterte der immer bescheidene, aber leider auch immer noch unbeholfene Zickler freistehend an Torhüter Ravelli. Der wiederum fast zur Lachnummer des Abends wurde, als er nach einem Rückpaß über den Ball säbelte. Wenig später war es wieder Zickler, der völlig frei nur einen harmlosen Roller zustandebrachte. Dann war es aus mit der Bayern-Herrlichkeit.

Die zweite Hälfte erbrachte zwar noch einige Tormöglichkeiten für die Münchner, aber ein Spielsystem war nicht mehr zu erkennen. Auch die Schweden ließen im unklaren, wie sie den FC Barcelona oder auch Manchester United eindrucksvoll in der Vorrunde der Champions League bezwingen konnten. Rustikal verteidigten sie ihr Tor mit fast allen Feldspielern. Auch wenn der IFK Göteborg aufgrund der Europapokal-Einnahmen bereits vermögender ist als der schwedische Fußballverband selbst, haben die Verantwortlichen immer noch nicht das Vollprofitum eingeführt. Bis auf die heimgekehrten Rehn, Pettersson und Lindqvist gehen alle Spieler vormittags einer geregelten Arbeit nach oder studieren an der Universität.

Wahrscheinlich sind sie Maurer und Architekten. Nur solchen Berufsgruppen ist es möglich, derart ein Tor zu verbauen. „Eine der besten Raumdeckungen Europas“ (Trainer Gustafsson) präsentierte sich als biederer Torverhinderungsverein. Für das Rückspiel prophezeite Gustafsson allerdings eine Heimstärke, die jederzeit zwei Tore erbringen könne. Bayerns Italiener auf der Trainerbank bewunderte den Siegeswillen seiner jungen Mannschaft, die aber leider immer zu ungestüm zu Werke gehe, und er bejammerte gestenreich die mangelnde Erfahrung, die so wichtig wäre gegen eine routinierte Elf wie jene aus Göteborg.

Traurig und enttäuscht war Alexander Zickler, der erkannte, daß er wieder keine Tore geschossen hat, obwohl er die zwei Riesenchancen „hätte reinmachen müssen“. Aber ihm und den beiden Mannschaften verbleiben noch 90 Minuten, um den jeweiligen Anhängern zu zeigen, daß Fußballspielen mehr als beherzter Kampf bedeutet.

IFK Göteborg: Ravelli - Kamark, Johansson, Olsson, Nilsson - Martinsson, Erlingmark, Rehn (63. Lilienberg), Lindqvist, Eriksson - Pettersson (88. Andersson)

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