Ein Schritt zur Seite, zwei Schritte zurück

■ Das Worldwatch Institut bilanziert, wie die Klimapolitik gezähmt wird

Berlin (taz) – Knapp vier Wochen vor Beginn des Gipfels in Berlin zieht das Worldwatch Institut eine düstere Bilanz der Klimapolitik der letzten Jahre: Die Industriestaaten produzieren zwei Drittel der Treibhausgase und haben zwar prinzipiell eingesehen, daß diese Emissionen verringert werden müssen. Doch der politische Wille dazu fehle in allen Industrieländern, schreiben die Wissenschaftler Christopher Flavin und Odil Turnali in ihrem Bericht, der heute veröffentlicht wird.

Deutschland habe sein Klimaschutzziel der 25prozentigen CO2- Reduzierung klammheimlich heruntergeschraubt, indem als Vergleichsjahr nicht mehr 1990, sondern das Boom-Jahr 1987 gewählt wurde. Frankreich und Japan rechnen neuerdings mit CO2-Emissionen pro Kopf. Das erlaubt ihnen einen absoluten Anstieg der Emissionen, sofern die Bevölkerung wächst. Spanien und Irland, so schreiben die Worldwatch-Wissenschaftler, lehnen die Klimaschutzziele völlig ab; die USA schließlich interpretieren die Klimakonvention von Rio neuerdings so, daß in den Vereinigten Staaten eine dreiprozentige CO2-Steigerung erlaubt sei, weil angeblich der Ausstoß von anderen Klimagasen sinke.

Die Haltung der anderen Länder sei zwar neuerdings aufgeschlossener gegenüber einem Berliner Protokoll, das die Industriestaaten zur CO2-Reduktion verpflichtet. Doch in vielen Staaten seien alarmierende Tendenzen festzustellen: In Brasilien, Indien und der Türkei steigen die Emissionen sehr schnell; China sei weltweit bereits nach den USA der zweitgrößte CO2-Produzent und sei auf dem Weg zur Nummer eins.

Die Europäische Union insgesamt dürfte es wohl nicht einmal schaffen, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2000 zu stabilisieren, wie es die Klimakonvention von Rio eigentlich festschreibt. Ein Bericht der Europäischen Kommission prognostiziert statt dessen einen Anstieg um fünf bis acht Prozent. Felix Berth