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Ende für Würgassen

■ Die PreussenElektra probt den kalten Ausstieg aus der Atomenergie

Berlin (taz) – Die Bundesregierung will am 16. März ein erstes Gespräch zur Zukunft der Kohle und der Kernenergie in Deutschland führen. Eingeladen zum Konsens ist nur die SPD, doch die einigt sich in aller Stille schon mal mit der Atomindustrie. Gerhard Schröders Genossen werden an Rhein und Ruhr wenigstens einen landesweiten Ausstieg aus der Atomenergie vorzeigen können. Noch vor dem 14. Mai, dem Termin der Landtagswahlen in Nordrhein- Westfalen, dürfte das Atomkraftwerk Würgassen endgültig stillgelegt sein.

Strom liefert der 23 Jahre alte Siedewasserreaktor seit letztem Sommer nicht mehr. Bei einer Routinerevision sind meterlange Risse in der Stahlkonstruktion, die den Reaktorkern umgibt, entdeckt worden. Die Landesregierung hat Untersuchungen in Auftrag gegeben. Am kommenden Montag will sie vor der Presse erläutern, wie die Experten den Schaden beurteilen. „Wir legen keine Atomkraftwerke still“, sagt der Sprecher des Wirtschaftsministers Günther Einert. Denn das tut die Atomindustrie schon selber. Wie die Wirtschaftswoche in ihrer neuesten Ausgabe meldet, will die Veba-Tochter PreussenElektra das Atomkraftwerk nicht mehr in Betrieb nehmen. Die Reparatur wird mit Sicherheit Millionen kosten. Aber nicht nur die Kosten dürften die PreussenElektra abschrecken. Der Schaden zwingt praktisch zu einem Neubau des Reaktors, der ein umfangreiches Genehmigungsverfahren mit ungewissem Ausgang nach sich ziehen würde.

Die PreussenElektra sah sich gestern nicht in der Lage, die Nachricht der Wirtschaftswoche zu kommentieren. Auch sie will sich erst kommenden Montag dazu äußern. So lange mochten nun aber der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Lippold, Vorsitzender der Klima-Enquetekommission, und Kurt Dieter Grill, ebenfalls Umweltexperte der Unionsfraktion, nicht warten. Sie sind alarmiert über die stille Wahlhilfe der ebenfalls in Hannover ansässigen PreussenElektra für Gerhard Schröder, den niedersächsischen Ministerpräsidenten und Verhandlungsführer der SPD in den Energiegesprächen. Die Christdemokraten fühlen sich in ihrem Kampf für die Atomenergie im Stich gelassen und baten den Vorsitzenden der PreussenElektra, Hans-Dieter Harig, schriftlich um Auskunft über seine Pläne, den Atomreaktor von Würgassen aufzugeben – den einzigen, der im sozialdemokratischen Nordrhein- Westfalen noch stillzulegen ist. Eine Antwort aus Hannover ist bisher nicht bekannt. Niklaus Hablützel

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