: Laßt uns das Stader Caddesi - oder wollt Ihr lieber herumlungernde Straßen-Gangs ?
Ich heiße Nihal und bin mittlerweile Jugendliche (17 Jahre alt), und komme, so lange ich denken kann, in das Spielhaus Stader Caddesi. Diese „kleine Hütte“ ist immer wichtiger für mich geworden. Es ist ein Ort, wo ich sein konnte (kann, oder noch kann) wie ich bin, denn dort hatte und habe ich die Möglichkeit, mich in meiner Freizeit aufzuhalten und meine Freunde, die ich schon lange kenne, zu sehen.
Aber nicht nur dies, ich wußte, daß dort eine Person war, die immer für mich da war, und mir zuhörte – BÄRBEL. Sie war im Grunde unsere Bezugsperson, die mit unseren Problemen von Anfang an aufgewachsen und konfrontiert wurde. Denn unsere Eltern (so blöd es sich auch anhört) haben für uns in vielerlei Hinsicht nicht das Verständnis, das wir brauchen. Z.B. ein offenes Ohr für unsere Probleme in der Schule, in der Liebe, mit den Eltern, und vor allem die Auseinandersetzung mit der Kultur. – Verdammt – das ist doch wichtig, wie kommt man auf den Gedanken, das zu übersehen?
Kann die Politik das, was über 13 Jahre gewachsen ist, einfach so wegpusten?? Wenn man bedenkt, daß wir eigentlich nur über eine 20-Stunden-Stelle für Bärbel sprechen, die läppische 35.000 Mark jährlich kostet, so ist das doch gelacht. Mit diesem können viele, viele Kinder und Jugendliche (ich schätze so circa 70) ihre Freizeit so sinnvoll gestalten, daß sie nicht in die Kriminalität abrutschen. Und, das ist doch das, was Sie wollen, meine Damen und Herren der Politik. Wo bleibt Ihre Unterstützung??
Schon mal gehört von:
Herumlungernden Straßen-Gangs, Einstiegsdrogen, Zwangsehen, Analphabetischen Eltern, keine Chance für uns, Ausbildung oder Job zu finden, Überforderung durch die Verantwortung für die ganze Familie oder die Geschwister?
Nein??? Dann schauen Sie doch mal bei uns ins Spielhaus rein, hier nämlich können wir unsere Probleme wenigstens besprechen und Hilfe kriegen.
Ach ja – fast vergessen. Sie haben ja kein Geld – oder besser gesagt, der Klangbogen am Bahnhof ist ein bißchen mehr wert als die Kinder und Jugendlichen, denn er soll ja eine Touristenattraktion werden. Na – ob denn die Touristen auf Graffiti-besprühte Wände stehn?
Er soll gar nicht besprüht werden? Dann geben Sie uns die Möglichkeit, unsere Freizeit anders zu gestalten. Am besten, indem Sie den 40 qm kleinen, so wichtigen Raum schließen und uns auf der Straße stehen lassen. Bärbel muß für die Kinder und Jugendlichen im Spielhaus bleiben. Nihal Demirci, 17 Jahre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen