GewerkschafterInnen gegen AfB

■ Ab Montag: Aufruf gegen „Sparkassendirektoren und abgehalfterte Betonkopfpolitiker“

Die politischen Wellen gehen hoch in der Stadt, nun kommen auch die Gewerkschaften heftig ins Schwanken. Ab Montag sollen beim DGB und bei den Einzelgewerkschaften Unterschriften unter einen scharf formulierten Aufruf gesammelt werden, und zwar gegen CDU, FDP und vor allem gegen die AfB. Ein Kreis von GewerkschafterInnen hat sich zusammengetan, um eine „Wende zurück in die Vergangenheit“ zu verhindern. und sie machen es spannend: Vor Montag wollen sie nicht mit den Namen der ErstunterzeicherInnen herausrücken.

Schon seit Monaten grummelt innerhalb des DGB der Konflik, wie sich die Gewerkschaften stärker in die Landespolitik einschalten sollen. Im Januar hatte der Bremer DGB-Vorstand beschlossen, klareres landespolitisches Profil zu zeigen – da hatte der Wahltermin noch auf September festgestanden. Diese Debatte geriet unversehens in den Strudel der Ereignisse. Mißtrauensvotum, Bruch der Ampel, vorgezogene Neuwahlen, aber vor allem das Auftauchen der AfB auf der einen, und die Ankündigung von Klöckner-Betriebsrat Peter Sörgel auf der anderen Seite waren es, die zu einer scharfen Polarisierung innerhalb der Gewerkschaften gesorgt haben. Nachdem die komplette Spitze der Polizeigewerkschaft und der IG-Medien-Statthalter Dieter Wilhelmi zur Rebers-Truppe gestoßen waren, macht nun die Gegenseite mobil. Eine ganze Reihe von AktivistInnen aus diveresen Bremer Betrieben und dem Öffentlichen Dienst haben zum Gegenschlag ausgeholt.

„Uns stinkt diese konservative Wende“, sagt einer der Organisatoren. „Wir können da nicht schweigend beiseite stehen.“ Was sie zu sagen haben, das sagen sie nicht gerade zimperlich. Rebers, Nölle und Jäger – jeder kriegt sein Fett weg: „Sparkassendirektoren mit mehreren zehntausend Mark Monatsgehalt, abgehalfterte Betonkopfpolitiker, die noch einmal Abgeordnetendiäten ersitzen wollen und profilierungssüchtige Pünktchenpolitiker stehen zukunftsweisenden Entwicklungen entgegen. Sie haben im Rathaus nichts verloren.“ Ein klares Bekenntnis zu rot-grün. Die Zukunft, so der Aufruf, sei nicht mit der Wirtschaftspolitik der konservativen Allianz zu haben. Die liege vielmehr in der Entwicklung gesellschaftlich-sinnvoller Produkte und umweltschonender Produktionsweisen. Ökologie und Ökonomie müßten miteinander verbunden und nicht gegeneinander gestellt werden. „Wir sagen nein zu CDU, FDP und AfB!“

Insbesondere die Bremer ÖTV steht in dem Ruf, anfällig für die Sirenenrufe der AfB zu sein. Vor allem im Öffentlichen Dienst geht die Angst vor rot-grünen Verwaltungsreformen mit tiefen Einschnitten in die Personalzahlen um. Das war der Grund, weshalb sich die aufgeschreckte Bremer SPD beeilt hat, die Bremer ÖTV-Vorsitzende Gisela Hülsbergen als Seiteneinsteigerin für die Bürgerschaftsliste vorzuschlagen.

Doch nicht allein die strukturkonservative ÖTV ist es, an die der Aufruf gerichtet ist. Auch in der nicht minder mächtigen IG-Metall gärt es gewaltig. Und Schuld daran ist der zweite Seiteneinsteiger, der neusozialdemokratische Klöckner-Held Peter Sörgel. Der ist trotz der Rettung des Stahlwerks für viele gestandene MetallerInnen immer noch ein knallrotes Tuch – gerade für die GewerkschaftsaktivistInnen, die mit der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) verschwippt und verschwistert sind. Die nehmen dem Ex-DKP-Mitglied Sörgel immer noch ziemlich übel, daß der den SPD-Einfluß im Stahlwerk auf Null gebracht hat. Das hat schon dazu geführt, daß Teile der IG-Metall, vor allem die aus dem Mercedes-Werk, Sörgel bei dessen Kandidatur für die Präsidentschaft der Arbeiterkammer die kalte Schulter gezeigt hatten, die ÖTV sowieso. Und nun ist ausgerechnet dieser Sörgel als Arbeitssenator im Gespräch, innerhalb der SPD, aber vor allem gepusht von linken Gewerkschaftskreisen. Dieser AfA-Flügel aus Anti-Sörgelisten ist es, der die Begehrlichkeiten der AfB geweckt hat. Genau gegen diese Entwicklung ist der Aufruf gerichtet, genau gegen diese Entwicklung war ein prominenter Neueintritt bei der SPD gedacht. Dieter Reinken, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall, ist vor gut zwei Wochen mit einer flammenden Erklärung gegen Rebers und Co. bei den SozialdemokratInnen eingetreten.

Ab Montag wollen die AufruferInnen an die Öffentlichkeit gehen und ihren Text als Flugblatt vor den Betrieben verteilen. Und so wenig zimperlich sie in ihren Angriffen sind, so selbstbewußt kommt das Blatt auch daher. Überschrift: „Wir kennen uns aus.“

Jochen Grabler