Berlin fliegt der Konkurrenz hinterher

■ Nach der anfänglichen Hauptstadteuphorie ist das Berliner Flugaufkommen von und nach Europa und Übersee zurückgegangen / Gerangel um Großflughafen bremst die Planung

Das Erdgeschoß des Europa- Centers. Edelste Parfümdüfte wehten dem Besucher vor einigen Jahren entgegen. Heute stinkt es an dem prominenten Platz nach fettigen Hühnerschenkeln. „Kentucky Fried Chicken“ hat das Büro der französischen Fluggesellschaft Air France übernommen. Auch JAL, die japanische Airline, hat ihre Berliner Vertretung deutlich verkleinert. In dem ehemaligen Büro glitzern inzwischen Diamanten und Goldschmuck. Flugtickets werden heute ein paar Etagen höher verkauft.

Das europäische und interkontinentale Flugaufkommen von und nach Berlin entsprach nicht der anfänglichen Euphorie. Und die war nach dem Mauerfall groß. Die Lufthansa beispielsweise geizte nicht: 22 europäische Ziele – ohne Zwischenstopp – bot die Gesellschaft 1991 von Berlin aus an. Heute sind es noch ganze zehn. „Wir sind sehr forsch angetreten, haben uns aber ziemlich überschätzt“, räumt Lufthansa-Pressesprecher Wolfgang Weber ein. „Auch der Transatlantikflug Berlin–New York ist fehlgeschlagen.“ Klassische und profitable Rennstrecken des Kranichs seien noch die Verbindungen Berlin–London und Berlin–Paris sowie Moskau als Ostziel und Wien im Süden.

Für die Berliner heißt das vor allem eins: umsteigen in Frankfurt am Main. Selbst für das 360 Kilometer südlich gelegene Prag ist ein Umweg über Westdeutschland erforderlich. Drei Stunden dauert die Flugreise von der Spree bis zur Moldau. Die Bahn braucht nur gut eine Stunde länger.

Insgesamt wechseln siebzig Prozent aller Lufthansa-Reisenden die Maschine am Main zum Weiterflug. In Berlin dagegen steigen nur zwei Prozent der Lufthansa- Passagiere um. Der Platzhirsch, sagt Weber, sei Spiegelbild der wirtschaftlichen Situation in der Hauptstadt. Allerdings klagt auch die Konkurrenz: Nur mit Geschäftsreisenden, heißt es aus dem Hause der American Airlines, sei Geld zu verdienen. Seit einem Jahr würden die Erwartungen jedoch nicht mehr erfüllt. Die Amis haben Berlin aus ihrem Flugplan gestrichen. First-class- und Business- Flieger werden zunächst mit der Bahn nach Frankfurt gekarrt, um von da aus Richtung Chicago oder Miami abzuheben.

„Berlin ist schwierig geworden“, sagt Jutta Pfeiffer. Die Pressesprecherin der russischen Aeroflot klagt über das Versagen der Politiker. Das Gerangel um einen neuen Großflughafen bremse die Planung. Die Aeroflot darf mit ihren veralteten und überlauten Maschinen nicht in Tegel landen. Reisende, die in Tegel ankommen und mit Aeroflot nach Rußland weiterfliegen wollen, müssen somit in Schönefeld umsteigen. Für die Gesellschaft lohnt es sich noch nicht, den Flugverkehr von Berlin auszubauen.

Erschwerend wirkt sich in der Branche auch die zunehmende Liberalisierung, der freie Himmel über Deutschland, aus. Preisdruck ist die Folge. Überkapazitäten müssen vermieden werden. Airlines sind gezwungen, Flüge zusammenzulegen. Deshalb starten viele Interkontinentalflüge in Frankfurt. Auch in Berlin wird der Trend deutlich. Lufthansa beispielsweise bedient die Strecke nach Warschau nicht mehr mit eigenen Maschinen. Wer bei Lufthansa bucht, fliegt mit der polnischen Gesellschaft LOT. „Co- chair-agreement“ heißt das Abkommen in Fliegerkreisen.

Die Deutsche British Airways setzt dagegen zum Höhenflug an: Ab März gehen von Berlin aus mehrmals in der Woche Flüge nach Riga und Vilnius. Mit dem Regierungsumzug soll die Hauptstadt gleichzeitig ein Drehkreuz für den Flugverkehr in den Osten werden.

Damit rechnet man auch bei der Lufthansa. Ein Berliner Großflughafen, heißt es, könne jedoch nie mit dem in Frankfurt konkurrieren. Allein bei der Air France starten 35 bis 50 Prozent aller Gäste ab Rhein-Main über Paris zu den Fernzielen. Und was Frankfurt nicht abfertigen kann, wird zunächst nach München weitergeleitet. So gesehen bleibt die Hauptstadt Berlin auch mit Mammutflughafen stets außen vor. Tomas Niederberghaus