Rückschlag der rechten Revolutionäre

Schwere Niederlage der Republikaner im US-Senat: Eine Stimme fehlte ihrem Entwurf zu einem Verfassungszusatz, der dem Staat das Schuldenmachen verbieten sollte  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Rush Limbaugh war außer sich. Noch am Vortag hatte der konservative König des „Talkshow Radio“ in seiner dreistündigen Sendung das Fußvolk zu mobilisieren versucht. „Leute, ihr müßt jetzt ein bißchen zaubern. Laßt die Kerle nicht so einfach davonkommen.“ „Die Kerle“ waren am Ende durch Rush Limbaugh nicht mehr zu beeindrucken. Am Widerstand von 33 Demokraten und einem Republikaner im US-Senat scheiterte am Donnerstag das „Balance Budget Amendment“ – ein Verfassungszusatz, der im Falle seiner Verabschiedung nicht nur die Haushaltspolitik der USA grundlegend geändert hätte: Der Zusatz, der bereits im Januar im Repräsentantenhaus mit einer Mehrheit von 300 zu 132 Stimmen angenommen war, hätte der Regierung in Zukunft verboten, Schulden zu machen. Am Ende fehlte den Republikanern im Senat eine Stimme, um die für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen.

Damit haben die Republikaner, die seit dem Sieg bei den Kongreßwahlen im November 1994 in beiden Parlamentskammern die Mehrheit stellen, in ihrer selbsterklärten „Revolution“ die erste schwere Niederlage einstecken müssen. Der Verfassungszusatz war ein symbolisch wichtiger Bestandteil des sogenannten „Vertrages mit Amerika“, dessen Umsetzung vor allem der Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, immer wieder versprochen hatte. Auch für den republikanischen Mehrheitsführer im Senat Robert Dole, der 1996 als Präsidentschaftskandidat ins Rennen ziehen will, stand die politische Reputation als Mehrheitsbeschaffer auf dem Spiel. Am Ende verzögerte er die Abstimmung im Senat sogar zwei Tage lang und rief Rush Limbaugh zu Hilfe: Der Radiomoderator, der wie kaum ein anderer konservativen Wählerzorn erwecken kann, sollte dafür sorgen, daß seine ZuhörerInnen mit Telefonaktionen störrischen Senatoren die Hölle heiß machen. Doch am Ende konnte auch Limbaugh nicht helfen. Zwar hatte sich in Umfragen immer wieder eine Mehrheit der Amerikaner für den Verfassungszusatz ausgesprochen, doch sobald es an konkrete Kürzungsvorschläge ging, sank die Zustimmungsbereitschaft in den Keller.

Denn um den Haushalt, wie in dem Verfassungszusatz vorgesehen, bis zum Jahr 2002 auszugleichen, wäre es nach den Berechnungen des „Congressional Budget Office“ nötig, ein Loch von 1,2 Billionen Dollar zu schließen – durch Steuererhöhungen und/oder durch drastische Ausgabenkürzungen.

Das Wort Steuererhöhung ist im Vokabular der neuen Generation von Republikanern im Kongreß nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Sie wollen Steuern senken, vor allem die Kapitalertragssteuer. Gleichzeitig sind Gingrich, Dole und ihre Haushaltsexperten bislang jede Erklärung schuldig geblieben, wo der Rotstift angesetzt werden soll, um innerhalb der nächsten sieben Jahre den Haushalt auszugleichen.

Kritiker außerhalb des Parlaments wie James Fallows von Atlantic Monthly werfen vor allem den Rechten ein gerüttelt Maß an Heuchelei vor. Jene Republikaner, die nun wie Gingrich unter einem demokratischen Präsidenten die Staatsverschuldung zum neuen Volksfeind erklärten, seien über das immer gigantischere Dezifit unter Ronald Reagan und George Bush völlig unbesorgt gewesen.

Folglich, so argumentieren andere, sei das „Balance Budget Amendment“ eher ein symbolischer Schlagabtausch. Viele Befürworter auf beiden Seiten hätten insgeheim spekuliert, daß sich selbst im Falle einer Verabschiedung durch den Kongreß am Ende die nötigen 38 Bundesstaaten gefunden hätten, die einen solchen Verfassungszusatz ratifizieren müssen. Denn in Kalifornien, Illinois oder Mississippi hätte man am Ende die Rechnung für einen ausgeglichenen Bundeshaushalt präsentiert bekommen: in Form von drastischen Mehrausgaben, die Washington dann auf die Bundesstaaten abgewälzt hätte.