„Für uns ist das ein Mahnmal“

■ In Oldenburg sorgen Hakenkreuze auf Grabsteinen aus dem Ersten Weltkrieg für Unmut zwischen Juden und Christen

Oldenburg (taz) – Lange hat die jüdische Gemeinde in Oldenburg darauf gewartet, nun, am Sonntag, ist es soweit: In Anwesenheit der Ehrengästen Richard von Weizsäcker und dem niedersächsischen Landesrabbiner Henry Brandt werden die neue Synagoge (die alte wurde 1938 zerstört) und das Kulturzentrum übergeben. Zu diesem Anlaß haben die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zur „Woche der Brüderlichkeit“ aufgerufen. Doch hinter den Kulissen hadern Christen mit Juden.

Anlaß: Auf dem Friedhof der Dreifaltigkeitskirche im Stadtteil Osternburg befindet sich ein Denkmal mit den Grabsteinen Gefallener beider Weltkriege. Die 14 Grabsteine der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Wehrmachtsangehörigen standen ursprünglich auf Einzelgräbern und wurden erst in den 50er Jahren dem Denkmal zugeordnet. Sie tragen auf halber Höhe das Eiserne Kreuz, in dessen Mitte unübersehbar ein auf der Spitze stehendes Hakenkreuz eingraviert ist. Die Rückseite des großen Gedenksteins trägt die Aufschrift: „Meine Augen sehen nach den Getreuen im Lande (Psalm 101.6)“.

Wolf Hertlein, Kirchengemeinderatsmitglied eines anderen Stadtteils, hatte zufällig die Steine entdeckt, die seit 50 Jahren unbeanstandet auf dem Friedhof stehen. Sofort formulierte einen Protestbrief an den Kirchengemeinderat und schickte Kopien an den Oberkirchenrat, an Pfarrer Töllner, Vorsitzender der Christlich- Jüdischen Vereinigung, und an Sara-Ruth Schumann, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Oldenburg. Seine Forderung: Der Kirchengemeinderat soll Hakenkreuze und Psalmtext unverzüglich entfernen und „die Opfer des Nationalsozialismus um Entschuldigung bitten, daß diese Hakenkreuze 50 Jahre lang geduldet wurden“.

Davon aber ist der Kirchengemeinderat weit entfernt. „Für uns ist das ein Mahnmal“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende, Wilhelm Kreye. „Man muß doch mitdenken, daß dort Opfer liegen.“ Daß „diese kleinen Dinger da“ eingraviert sind, findet Kreye unproblematisch: „Das Eiserne Kreuz sah eben früher so aus.“

Als riskant empfindet Kreye den Vorstoß Hertleins. Da hat er plötzlich Angst, daß „Ewiggestrige auf unseren Friedhof kommen“, und daran sei dann natürlich Hertlein schuld.

Der Protest in Oldenburg wächst. Die Christlich-Jüdische Vereinigung fordert ebenso wie der Freundeskreis Sinti und Roma Oldenburg, daß der Kirchengemeinderat handelt. Kreye möchte am liebsten die jüdische Gemeinde entscheiden lassen: „Wenn die sagt, weg damit, dann würde ich auch dafür eintreten.“ Doch die Vorsitzende Sara-Ruth Schumann spielt den Ball zurück: „Die Hakenkreuze sind kein jüdisches, sondern ein christliches Problem. Nicht wir, die Kirche muß sich entscheiden, was sie tun will und dann mit uns das Gespräch suchen.“ Dora Hartmann