Knurriger Salinas

■ Mexikos Ex-Präsident im Hungerstreik „für die Wahrheit und meine Ehre“

Berlin (taz) – Als ob Mexikos Ex-Präsident nicht genug Ärger hätte: In der Nacht zum Freitag hat Carlos Salinas de Gortari einen Hungerstreik erklärt, bis die mexikanischen Justizbehörden „zweifelsfrei“ geklärt hätten, daß er weder für die Finanzkrise des Landes verantwortlich sei, noch im Falle der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Luis Donaldo Colosio vor einem Jahr Informationen verschleiert hätte. Das kann dauern.

Vor drei Monaten, kurz vor dem Ende seiner Präsidentschaft, konnte der Ökonom noch davon ausgehen, seinen 48. Geburtstag am 3. April als sicherer Kandidat für den Vorsitz der neugegründeten Welthandelsorganisation, der Nachfolgeorganisation des Gatt, feiern zu können. Dann krachte das auf einem überbewerteten Peso errichtete mexikanische Wirtschaftswunder, das ihm die Unterstützung der USA für seine Ambitionen eingetragen hatte, quasi über Nacht zusammen, in Europa und Asien rumorte es bereits heftig gegen den Kandidaten Salinas, und zu guter Letzt mußte nun auch noch sein älterer Bruder Raul unter Mordverdacht ins Gefängnis, und gegen ihn selbst hegt man den Verdacht, er habe dafür gesorgt, daß die Ermittlungen im Mordfall Colosio mit der Verurteilung eines „Einzeltäters“ zügig abgeschlossen wurden. Sein Nachfolger Zedillo rollte den Fall wieder auf – vor einer Woche wurde ein mutmaßlicher zweiter Schütze verhaftet.

Das war denn doch zuviel für ein Mitglied der herrschenden Politoligarchie des Landes. Und für einen WTO-Vorsitzenden erst recht. Jetzt hungert er „für die Wahrheit und meine Ehre“. pkt