Eckstein für die Zukunft?

■ Viel Prominenz beim Beginn der Woche der Brüderlichkeit in Oldenburg

„Eine Minorität, wie es die Juden sind, lehrt, indem sie da ist“, mahnte Professor Leo Trepp, früherer Landesrabbiner und Ehrenbürger der Stadt Oldenburg, in seiner gestrigen Ansprache anläßlich der Übergabe einer neuen Synagoge an die Jüdische Gemeinde Oldenburg. Am Festakt nahmen der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, teil, Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) sowie Altbundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), dem an diesem Tage die „Buber-Rosenzweig-Medaille“ verliehen wurde.

Leo Trepp war bis 1938 Landesrabbiner von Oldenburg. Die Jüdische Gemeinde zählte in den 30ern noch etwa 320 Mitglieder, von denen 180 angesichts zunehmender Repressionen in die Emigration gingen. Die, die geblieben waren, mußten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 miterleben, wie die Nazis die Synagoge und das jüdische Kulturzentrum niederbrannten. Schon am nächsten Tag wurden etwa 120 JüdInnen ins KZ Sachsenhausen abtransportiert, unter ihnen befand sich auch Leo Trepp. Mit ihm überlebten nur 14 weitere JüdInnen aus Oldenburg den deutschen Holocaust.

Anders als Minderheiten, blickte Trepp gestern zurück, können Majoritäten die Welt verändern, seien aber in Gefahr, dabei das menschliche Antlitz zu verlieren. „Minoritäten sind da, um zu warnen. Je kleiner sie sind, umso bedeutsamer ihre Lehre.“ Wenn diese Botschaft angenommen würde, könne die Stadt Oldenburg durch das Dasein der Jüdischen Gemeinde gewinnen. Dann könne jener Stein, der schon den Eingang der zerstörten Synagoge markiert hatte, wie durch ein Wunder erhalten blieb und heute wieder am Portal zum Gebet ruft, zum Eckstein für eine neue Zukunft der ganzen Stadt werden.

„Bet Elohim“, steht auf dem Stein geschrieben, „Haus Gottes“. Schon beim Bau der ersten Synagoge 1855 war er verwendet worden. Auch Oberbürgermeister Holzapfel nahm ihn als „gutes Symbol“: „Die neue Synagoge in Oldenburg soll ein Zeichen dafür sein, daß wir Menschen jüdischen Glaubens und jüdisches Leben und Denken in unserem Land, in unserer Stadt haben wollen. Wir wollen ihnen darüber hinaus Schutz und Heimat geben.“

Eine fragwürdige Formulierung, denn wer nimmt sich hier das Recht, „Heimat zu geben“? Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, sprach den Lapsus nicht direkt an, kritisierte aber den gängigen Begriff des „Mitbürgers“ für JüdInnen: „Warum eigentlich nicht Bürger,“ fragte Fürst provokativ.

Nachdem allein im früheren Landesrabbinat Oldenburg 14 Synagogen gestanden hatten, wurde mit dem gestrigen Tage die fünfte Synagoge in Niedersachsen wiedereröffnet. Ein Freudentag, erklärte Fürst, warnte aber gleichermaßen davor, „zu euphorisch zu werden.“ Schließlich wurden am 5.3.1332 drei- bis vierhundert JüdInnen in Süddeutschland verbrannt, am 4.3.1649 wurden 600 JüdInnen in Rostock ermordet – jeder 5.3. zwischen 1933 und 45, fuhr Michael Fürst fort, „ist ein Gedenktag, ein Tag der Verfolgung und schließlich des Genozids.“ Auch heute könne niemand wissen, ob es nicht nur ein kurzer Zeitraum der friedlichen Koexistenz von Christen und Juden sei.

Wie brüchig der Friede ist, belegt der Konflikt um die Grabsteine auf dem Osternburger Friedhof (vgl. taz vom 1. und 4.3.). Vor zwei Wochen hatte ein Oldenburger die Hakenkreuze auf den Steinen entdeckt. Seine Forderung an die Kirchengemeinde, die Hakenkreuze zu entfernen und sich für deren 50jährige Duldung zu entschuldigen, blieb erfolglos. Die Kirchengemeinde überläßt die Entscheidung um die Hakenkreuz lieber der Jüdischen Gemeinde. Die aber weigert sich. Sara-Ruth Schumann, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde: „Die Hakenkreuze sind das Problem der Christen, nicht der Juden.“ Dora Hartmann