Ein lauschiger Abend unter guten Freunden

■ Mit Preußen-Prinz Ferdinand zwischen Drei-Wetter-Taft und teurer Kommode

Der Händedruck des Prinzen von Preußen war wahrhaftig warm und wohlig weich. Das mag an den 499 Händen liegen, die er zuvor hatte schütteln müssen, dabei immer ein eklektisches Lächeln unter der babyblau getönten Designersportbrille und der wohlfeil formulierte Wunsch: „Guten Abend und willkommen im Brandenburger Hof“. Ein royaler Hauch wehte Freitag nacht durchs Foyer der First-class-Absteige, die sich in Spuckweite zum Ku'damm befindet, sowie atemberaubende Aerosole der Duftmarken Drei-Wetter- Taft und Armani. Ergriffen und ehrfürchtig und wissend, daß die Welt doch in Ordnung sein kann, knicksen ein paar geladene Galaabendgäste vorm Prinzen, als handele es sich um eine Audienz in der Villa Hammerschmidt. Die Maßstäbe waren ein wenig verrutscht, wie auch die eine oder andere Seidenkrawatte. Was Wunder: Hoteldirektorin Daniela Sauter hatte den Abend „Preußens Glanz und Gloria“ getauft.

Dabei galt es, dreierlei zu feiern. Erstens: Der Brandenburger Hof steht nun endlich auch im Katalog von „Relais & ChÛteau“, einer Art Fibel für Luxusherbergen weltweit. Zweitens: Die Freunde der Zinnfiguren stellten, in höchstpolierten Vitrinen, ein unentwirrbares Geflecht ihrer possierlichen Kürassier-Regimenter, Flügeladjutanten und Trompeter-Corps einer öffentlichen Begutachtung zur Verfügung. Drittens: Der 1905 gegründete Kunsthandel „Seidel u. Sohn“ hatte sein Lager ausgemistet und stellte 41 Schinken zum Verkauf, die ansonsten nur japanische Touristen auf Wolke sieben schweben lassen. Darunter eine Kommode, seitlich geschweift und gebaucht, aus dem Jahr 1750 oder 1755 (VB 350.000 Mark), eine in Öl auf Leinwand gebannte Werkstattarbeit „um 1733/35“ von Antoine Pesne (mit Rahmen: 175.000 Mark), ein bronzenes Reiterstandbild Friedrichs des Großen, das Cuno von Uechtritz-Steinkirch irgendwann zwischen 1856 und 1908 in Berlin gegossen haben soll (mit Sockel: 58.000 Mark).

Die steinalten Damen in den leicht aus der Mode gekommenen Escada-Kostümen und die monokeltragende männliche Mittelmäßigkeit mit den brillantinen Rolex- Chronometern ließen sich von den kostspieligen Aperçus nicht wirklich in Bann ziehen, ihr Augenmerk galt verstärkt der Verköstigung. Champagner fürs völlende Volk und Shrimps-Kanapees, dargereicht auf Silberlöffeln von allerdings pubertierenden Hotelkaufmannslehrlingen. „Ich koche schnörkellos“, sekundierte Chef de cuisine Manfred Heissig, 28.

So lauschte der Adel und sein halbseidenes Gefolge einer zweiköpfigen Abordnung der Brandenburger Philharmoniker und tuschelte, tête-à-tête, über die Haltbarkeit der Steineibenbäume im Wintergarten – warmen Fußes, denn die Bodenheizung lief auf Hochtouren. – Lau und lauschig zog der Galaabend sich dahin, bis ein kleines Malheur die Gesprächsthemenpalette um zwei Sätze bereicherte: „Hast du schon ein Häppchen gegessen, Schatz?“ wollte eine am Stock gehende Unternehmerin in Erfahrung bringen, den bonsaigroßen Champagnerkelch in der Hand. „Siehste doch“, krümelte ihr Gatte mit vollem Mund aufs Versace-Revers. In diesem Moment stolperte eine Lady im nachtblauen Abendkleid über den ungeschickt plazierten Krückstock der Unternehmerin, der ihr wiederum das Champagnerglas aus der Hand schlug.

Die Philosophie des Brandenburger Hofes ist ein engmaschig gestrickter Wunsch: Der Gast, so die Marketingdirektorin Brigitte Würzner, solle das Haus nicht nur zufrieden verlassen, sondern begeistert. Da Anspruch und Wirklichkeit bekanntermaßen zuweilen auseinanderklaffen, war für die Dame am Krückstock der Abend gelaufen. „Laß uns sofort gehen!“ zischte sie ihren Mann an. Doch der mochte die Pralinés nicht unversucht lassen. Ein unauffällig lustwandelnder Sicherheitsbeamter, Zeuge dieser Szenen einer Ehe, wünschte wispernd das schnelle Ende der Veranstaltung herbei. Ihm war der Rahmen zu groß gesteckt, sein Weltbild war sowieso schon ins Wanken geraten: „Ich hab' noch nie so viele geliftete Frauen auf einem Fleck gesehen.“ Thorsten Schmitz