: „Ihr Bauch gehört ihr seit 4.000 Jahren“
Am Wochenende tagte erstmals der bündnisgrüne Frauenrat / Streit um Abtreibungsrecht ■ Aus Berlin Karin Flothmann
Die Plakate, die den Raum schmücken, stammen noch aus alten Wahlkampfzeiten. Die Öffentlichkeit hat sie nie zu Gesicht bekommen, aber für die erste Sitzung des bündnisgrünen Bundesfrauenrats in Berlin taugen sie allemal. Neben der Abbildung einer steinernen Göttin aus vorpatriarchalen Zeiten prangt da der Satz: „Ihr Bauch gehört ihr, schon seit 4.000 Jahren — Bündnis 90/Die Grünen“. Wie passend, immerhin sorgt die anstehende Neuregelung des Abtreibungsrechts erst seit Anfang des Jahres bei den Grünen für innerparteilichen Streit. Und um diesen erneut zu beleben, ließ es sich die Berliner Landesdelegiertenkonferenz (LDK) nicht nehmen, noch am Freitag abend einen Antrag zu verabschieden. Mehrheitlich beschloß sie, die kurzfristige Einberufung eines Sonderparteitags zum Thema.
1993 sah's in Berlin noch anders aus. Damals forderte die gleiche LDK vom Gesetzgeber das Gegenteil, nämlich „das Entscheidungsrecht der Frauen zu stärken und dafür alle Spielräume zu nutzen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ermöglicht“. Heute wollen die BerlinerInnen davon nichts mehr wissen. So habe die Bundestagsfraktion ohne Absprache mit der Parteibasis einen Gesetzentwurf zum Abtreibungsrecht in den Bundestag eingebracht, der sich in weiten Teilen an den Vorgaben des BVerfG—Urteils orientiere. Damit aber, so argumentierten die Berlinerinnen auf dem Frauenrat, verleugne die Partei Grundsätze ihrer Politik, nämlich die Forderung nach Streichung des Paragraph 218.
Eine solche Streichung ist bei den derzeitigen Machtverhältnissen in Bonn jedoch nicht in Sicht. Gleichzeitig geht es aber erstmals seit zwanzig Jahren wieder darum, mit einer Neuregelung des Abtreibungsrechts das Beste für Frauen, die abtreiben wollen, herauszuholen. Erklärtes Ziel des geplanten Gesetzes ist es, so Rita Grießhaber, frauenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Frauen vor erneuter Bevormundung zu schützen und mehr Rechtssicherheit für Beratungsstellen wie Pro Familia zu schaffen.
Schon bei einer Anhörung der Grünen letzten Donnerstag in Bonn kristallisierte sich heraus, daß ein Gesetz Kriterien für die Anerkennung von Beratungsstellen regeln müße. Denn diese Anerkennung liegt ausschließlich bei den Ländern. Und was in Berlin oder Hamburg problemlos funktioniert, stößt im konfessionell geprägten Bayern auf enorme Schwierigkeiten. „Auch in Sachsen stehen die Beratungsstellen total unter Druck“, bekräftigte die Dresdener Delegierte Pino Olbrich, „die wollen gesetzliche Regelungen für ihre Arbeit.“
Die Argumente der Fundamental-Kritikerinnen blieben auf dem Frauenrat dagegen eher farblos. Sie drehten sich in erster Linie um das Prozedere. „Die Bonner Fraktion tut doch, was sie will“, empörte sich beispielsweise die Berliner Abgeordnete Judith Demba und brachte damit wohl auf den Punkt, was sich viele ihrer Berliner KollegInnen dachten, als sie für einen Sonderparteitag 218 votierten. Eine Mehrheit, die den BerlinerInnen jubelnd zu einem Sonderparteitag 218 folgt, fand sich in Berlin dennoch nicht. Mit so einem Parteitag, so die Meinung der meisten, „setzt die Partei frauenpolitische Glaubwürdigkeit aufs Spiel“.
Daß die Kritik an der bündnisgrünen Neuregelung des Paragraphen 218 vor allem auf das wenig transparente Vorgehen der Bonner Grünen zurückzuführen ist, zeigte sich dann an anderer Stelle. Bei der Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe sind die Bundesgrünen vorsichtiger geworden. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt zwar bereit, aber die Parteifrauen sollten erst ihr Votum abgeben. Strittig ist hier allein die Frage der Mindeststrafe bei Vergewaltigung. Während der ursprüngliche Entwurf – wie derzeit im StGB gültig – mindestens zwei Jahren vorsieht, plädieren grüne Rechtspolitiker hier für ein Jahr. Daß die grüne Forderung nach Entkriminalisierung nun erstmals ausgerechnet beim Sexualstrafrecht erprobt werden soll, empörte in Berlin nicht nur die familienpolitische Sprecherin der Bonner Fraktion, Irmingard Schewe-Gerigk. Auch der Frauenrat erteilte den Rechtspolitikern in Bonn mehrheitlich eine Absage. Vergewaltiger sollen mindestens für zwei Jahre in den Knast wandern.
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