Helm auf zum Verfassungsbruch

■ Ein Einsatz deutscher Soldaten in Kroatien oder Bosnien im Rahmen eines Nato-Auftrags, aber ohne UN-Mandat, widerspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts / Nato-Treffen in Florida

Berlin/Key West (taz/AFP/AP) – Die Entsendung deutscher Soldaten nach Ex- Jugoslawien unter Nato-Kommando ist verfassungswidrig. Das erklärte der Völkerrechtler und Professor an der Frankfurter Universität, Michael Bothe, gegenüber der taz. Ein solcher Einsatz würde, falls er ohne ein neues Mandat der Vereinten Nationen erfolgte, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts widersprechen. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, daß der Einsatz deutscher Soldaten „nur auf der Grundlage eines UN-Auftrages“ erfolgen könne, so Bothe. Der Einsatz der Bundeswehr zum Schutz eines möglichen UN-Abzuges sei somit nicht legal.

Bothe kritisiert auch die bisher fehlenden rechtlichen Grundlagen für die Mitbestimmung des Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die von der Bundesregierung der Nato gemachten Zusagen führten daher zu der „Gefahr, daß der Entscheidungsspielraum des Parlamentes eingeengt“ werde. Die Richter mit den roten Roben hatten vor sieben Monaten entschieden, Auslandseinsätze der Bundeswehr von einer Zustimmung des Bundestags abhängig zu machen.

Um den Einsatz der Nato bei einem UN-Abzug aus Kroatien ging es am Wochenende bei einem Treffen der USA und ihrer Verbündeten in Key West. Die Verteidigungsminister der USA, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens diskutierten in Florida einen Einsatz von Nato-Truppen, um einen Abzug der Blauhelm-Soldaten abzusichern. Anlaß der Debatte ist die Weigerung der kroatischen Regierung, das Mandat der UN-Schutztruppe Unprofor zu verlängern. Zum 31. März soll sie das Land verlassen.

In diplomatischen Kreisen hieß es, die mögliche Bereitstellung amerikanischer Truppen zur Absicherung eines Blauhelm-Abzugs habe im Mittelpunkt der Unterredung gestanden. US-Präsident Bill Clinton hat dies für den Fall einer Beendigung der UN-Mission in Bosnien zugesagt, nicht aber für Kroatien. Die New York Times prognostiziert unter Berufung auf US-Beamte, daß der Evakuierungsplan zwischen 1,5 und 2 Milliarden Dollar kostet wird. Bis zu 70.000 Soldaten würden dafür gebraucht. Führende Vertreter von UNO und Nato hatten wiederholt die Auffassung vertreten, bei einem Unprofor- Rückzug aus Kroatien könne auch die UN-Präsenz in Bosnien nicht länger aufrechterhalten bleiben. Die UN-Stützpunkte in Kroatien dienen als Versorgungsbasis für die Einsätze in Bosnien.

In Kroatien selbst mehrten sich am Wochenende die Anzeichen dafür, daß sich die Armee und die Serben in der Krajina auf einen neuen Krieg vorbereiten. UN- Sprecher Chris Gunness sagte, entlang der alten Fronten würden neue Schützengräben ausgehoben und der seit 1992 geltende Waffenstillstand werde zunehmend verletzt. Es deute nichts darauf hin, daß die Regierung in Zagreb ihre Haltung ändern und das Mandat der etwa 12.000 UN-Soldaten verlängern werde. Der kroatische Verteidigungsminister Gijko Susakin versicherte, daß Kroatien nach dem Blauhelm-Abzug keinen neuen Krieg gegen die serbischen Aufständischen in der selbsternannten „Republik Krajina“ beginnen werde, schloß aber begrenzte Vergeltungsaktionen der Armee nach möglichen serbischen Übergriffen nicht aus. Der kroatische Präsident Franjo Tudjman befürchtet, daß die UN-Präsenz in seinem Land die Fronten verhärte und dies zu einer dauerhaften Teilung seines Landes führen werde. Um ihn umzustimmen, will der Leiter der Europa-Abteilung im US- Außenministerium, Richard Holbrooke, nach Zagreb reisen. Seiten 3, 8 und 10