Nachschlag

■ „Kätz“ von Jacques Offenbach in der Neuköllner Oper

Neukölln ist das ideale Pflaster für rechtschreibreformiertes Neudeutsch. Als „Kätz“ kommt in dieser Berliner Kulturdiaspora daher, was in anderen Metropolen „Cats“ heißen würde. Soviel Verständnis für die „Randbezirke“ des zukünftigen Regierungssitzes bringt die Neuköllner Oper auf, wissen die dort Arbeitenden doch, was den kulturellen Geschmack in dieser Stadt zukünftig bestimmen wird. Leichte Unterhaltung, leichte Unterhaltung und noch mal leichte Unterhaltung. Um ihr finanziell ungesichertes Haus zu füllen, hat sich die Neuköllner Oper also der deutschtümeligen Rechtschreibreform angenommen und Jacques Offenbachs Operetteneinakter „La Chatte metamorphosée en femme“ (Die Katze, die in eine Frau verwandelt wurde) als „Kätz“ dem Zeitgeist von heute angepaßt.

Und das geht so: Quido, ein in seinem gestreiften Pyjama und gestreiften Morgenmantel seiner toten Katze nachheulender junger Komponist, wird durch weibliche List, esoterischen Schnickschnack und Femme-fatalistisches Chaos von seiner Trauer befreit und findet zu seiner wahren Liebe, der weltzugewandten Marianne, zurück. In Jacques Offenbachs Originalversion ging es noch um die Einlösung eines lange vergessenen Eheversprechens, bei dem sich die ehemals Versprochene als Katze verkleidet, um den Mann zu bekommen (wie beziehungsreich: la chatte wird umgangssprachlich auch für Muschi benutzt!). Bei der Neubearbeitung von Bernd Mottl und Jürgen Maier liegen die Dinge etwas anders. Das „Sesam, öffne dich“ der Klischees macht vor schmuddeliger WG-Atmosphäre, LAGs (LebensabschnittsgefährtInnen), fehlendem Genie, fehlendem Geld und spirituellen Glücksversprechen nicht halt. Die Geschichte ist banal, die musikalische Umsetzung, bearbeitet von Winfried Radeke, leicht und schwungvoll. Wenn die vier ProtagonistInnen gemeinsam singen, glaubt man tatsächlich, daß dadurch alle Wunden geheilt werden können. Und das Happy-End ist wohl genau das Richtige für gestreßte GroßstädterInnen – und für die Neuköllner Oper ebenfalls, die durch die Abendeinnahmen schließlich die Gagen für SängerInnen und Musiker decken muß. Nach der Aufführung spielt das Orchester zum Tanz.

So sieht das also aus und so hört es sich an, wenn mangelnde Subvention den KünstlerInnen dieser Stadt die leichte Muse aufzwingt. Ganz aber will sich die Randbezirksoper daran nicht halten. Der 8. Mai wird nicht spurlos an ihrem Programm vorbeigehen, und auch die Rechtschreibreform wurde nicht samt und sonders geschluckt, verstehen sich die Neuköllner OperistInnen doch durchaus auch als „catserisches“ Ensemble. Waltraud Schwab

Weitere Aufführungen: 10.-12.3., 17.-19.3., 20 Uhr, Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131-133