Unbequem und unpopulär

■ Niedersachsen: Seit Sommer 93 tobt der Streit um Frauenbeauftragte

„Wir sind unbequem und unpopulär“, beschreibt Niedersachsens dienstälteste Frauenbeauftragte Ursula Müller aus Hannover ihren Job. Wollen die derzeit rund 120 Frauenbeauftragten des Landes bei überwiegend männlichen Behördenleitern etwas bewirken, haben sie wenig in die Waagschale zu werfen: Sie besitzen kein Instrumentarium für Sanktionen und haben anderen Ressorts innerhalb der Verwaltung aus ihren kleinen Etats nichts anzubieten. Das geringe Gehalt (gegen das einige klagen) verschafft ihnen bei den Männern auch keine Anerkennung. „Da ist es manchmal einfacher, außerhalb der Behörden zu wirken“, meint Hannovers Frauenbeauftragte.

Mit den Stimmen von SPD und Grünen hat der niedersächsische Landtag am 9. Juni 1993 beschlossen, daß Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern eine hauptberufliche Frauenbeauftragte einstellen müssen. Danach werden sie vom Rat in ihr Amt berufen und können mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abberufen werden. Die Frauenbeauftragten haben das Recht, Einsicht in Akten zu nehmen, an allen Sitzungen des Rates und der Verwaltungsausschüsse teilzunehmen und gegen Beschlüsse Widerspruch einzulegen.

Selten haben sich Kommunen in Niedersachsen so nachhaltig einem Gesetz der Landesregierung widersetzt. Seit über einem Jahr wehren sie sich gegen die Verpflichtung, bei mehr als 10 000 Einwohnern Frauenbeauftragte hauptberuflich einzustellen. Selbst förmliche Anweisungen des Landes konnten den Widerstand von rund 50 Kommunen bislang nicht brechen. Sie taten sich zusammen und reichten Klage beim Staatsgerichtshof in Bückeburg ein. Nach den Buchstaben des Gesetzes sind 274 Gemeinden in Niedersachsen in der Pflicht. Doch bis heute haben weniger als die Hälfte die Auflage erfüllt. Resigniert stellte das Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde der Kommunen vor wenigen Monaten fest: „Ein Vollzug des Gesetzes ist nicht möglich, weil die Gemeinden und Städte regelmäßig von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln Gebrauch machen.“ dpa

Geduldig erschließen sich die Förderinnen der Gleichstellung andere Wege, um ans Ziel zu kommen. Mit „Olga“ meldet sich Hildegard Kornemann seit über vier Jahren zu Wort. Die Frauenbeauftragte des Landkreises Oldenburg bringt die „erfräuliche Zeitung“ in einer Auflage von 3 000 Stück heraus und spricht darin komplizierte Mutter-Tochter-Beziehungen ebenso an wie rechtliche Tips zu Zeitverträgen oder Sperrfristen für Mütter.

Für die meisten Lobbyistinnen stehen Information und Beratung der Geschlechtsgenossinnen an erster Stelle. In Diepholz und Hildesheim helfen eigens für Frauen erstellte Adressbücher und Lose-Blatt-Sammlungen weiter. Andere Frauenbüros setzen Frauenarbeit ins rechte Licht, organisieren Ausstellungen über Bäuerinnen, Fabrikarbeiterinnen und andere Weibsbilder. Die Frauenbeauftragten von Buxtehude und Stade entwarfen Postkarten, auf denen frauendiskriminierende und sexistische Werbung angeprangert wird. Empfänger der Protestkarten ist der Werberat.

Seit der Einrichtung der ersten Stelle für eine Frauenbeauftragte 1982 in Köln hat sich die Arbeit erheblich verändert. Die Frauenbeauftragten haben untereinander Netze ausgeworfen und sich in einer Bundesarbeitsgemeinschaft organisiert. In Hannover entwickelt die vom Bundesfrauenministerium geförderte Vernetzungsstelle einen Austausch zwischen Frauenbüros in Ost- und Westdeutschland, informiert über bundesweit aktuelle Projekte und gibt praktische Tips für die tägliche Arbeit. Die rund 1 200 Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten in Deutschland sind stolz, einiges auf den Kopf und auf die Beine zu stellen. dpa