piwik no script img

Sind Frauen doch nicht die besseren Menschen? Von Andrea Böhm

Beißt der Hund sein Herrchen, so ist das nach den Grundregeln des Journalistenhandwerks keine Kurzmeldung wert. Beißt das Herrchen den Hund, dann hat es die Schlagzeile gleich mitgeliefert. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema „Geschlechterkampf“. Sexuelle Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz sind aufgrund medialer Abnutzungserscheinungen nicht mehr besonders interessant – solange der Mann die Frau beißt. Werden die Rollen vertauscht, spitzen alle die Ohren.

Unter dem Namen „The Jenny Craig Eight“ machen derzeit acht Männer aus Boston Furore, weil sie die Firma „Jenny Craig International“ wegen sexueller Diskriminierung und sexueller Belästigung verklagt haben. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Unternehmenskette mit über 600 „Weight Loss Centers“ in den USA, in denen übergewichtige KundInnen und solche, die sich dafür halten, in die Kunst des Abspeckens eingeweiht werden.

Die Klageschrift der acht Männer reicht von unrechtmäßiger Entlassung über verweigerte Gehaltserhöhungen und unzumutbare Arbeitsanweisungen bis zu Belästigung durch die vorwiegend weiblichen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen. Und das alles, weil sie Männer sind. So hätten sich Kolleginnen demütigende Bemerkungen über ihre „knackigen Hintern“ erlaubt. Sie hätten sich (wie alle anderen Angestellten) jeden Morgen in die „Jenny Craig“-Arbeitskleidung mit Kittel und Halstuch werfen müssen. Damit nicht genug, seien sie vom Büroklatsch über Schwangerschaften und Menstruationsprobleme ausgeschlossen gewesen.

Der Fall der „Jenny Craig Eight“ hat nun die Debatte über jene Frage wieder in Gang gesetzt, die uns alle am meisten bewegt: Handelt es sich bei den Managerinnen und Kolleginnen lediglich um Ausnahmen von der Regel, um verwirrte Geschlechtsgenossinnen also, denen für kurze Zeit das immanent Gute im Weibe verloren gegangen ist? Oder sind Frauen möglicherweise doch nicht die besseren Menschen? Die These sei gewagt: Sie sind es nicht.

Was die acht ehemaligen Ernährungs- und Schlankheitsberater angeht, so wird demnächst ein Gericht darüber entscheiden, ob die Verweigerungen von Gehaltserhöhungen und Beförderungen sowie die Entlassungen durch Männerfeindlichkeit motiviert waren, oder, wie die Leitung des Unternehmens dagegenhält, durch mangelhafte Arbeitsleistungen.

Was die Frage der sexuellen Belästigung betrifft, so seien einige vorgerichtliche Bemerkungen erlaubt: Unerwünschte Bemerkungen über die Konsistenz von Hinterteilen sollte mensch sich generell sparen. Doch aufgrund herrschender Kräfte- und Machtverhältnisse macht es nach wie vor einen gewaltigen Unterschied aus, ob die Bemerkung aus einem männlichen oder weiblichen Mund kommt. Bleibt der Anklagepunkt „Ausgrenzung vom Büroklatsch über Schwangerschaften und Menstruationsprobleme“. Dieses Problem hätte sich mit ein bißchen gutem Willen sicher außergerichtlich lösen lassen: etwa durch die Einrichtung einer Betriebs-AG „Männer und Menstruation“. Nun sind Psychologen eher gefragt als Juristen, denn im Fall der „Jenny Craig Eight“ zeigt sich ganz offensichtlich das bislang unbekannte Phänomen des „Menstruationsneids“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen