Blas' mir die Schicksalsmelodie

■ Prächtiges Wortgefunkel im neuen Stück des Théatre du Pain, derzeit im Lagerhaus

Wenn Du mit Deinem Toaster telepathische Gespräche über die Mandelbrotmenge führst, ganze Alphabete neu dichtest und ansonsten kleine Oden über Deinen großen Zeh phantasierst und schon denkst, Du bist irgendwie verkehrt: Hier biste richtig, in den Stücken von Hans König nämlich. Denn der König liebt das Ausufernde, Abschweifende, Absurde. Vor allem liebt er es, vermeintlich weit auseinanderliegende Worte, Dinge und Menschen aufeinanderprallen zu lassen – wie schön das scheppert, wie herrlich das funkt! Als ein Funkenflug der Worte erscheint also auch das jüngste Stück des Bremer Bühnenautors und Schauspielers. Sein „Théatre du Pain“ ist wieder da; das altgediente Ensemble – Mateng Pollkläsener, Stefan Walkau und König selbst – spielt, spinnt und phantasiert jetzt Königs „Los Gringos in Weimar“.

Und da läßt König das Publikum schon krachend in die erste Falle tappen. Denn mit Hochhuths Trubelstück „Wessis in Weimar“ hat dies hier, außer vom Titel, rein gar nichts zu schaffen. Aber schon sind die ersten, wilden Assoziationen geweckt: Gringos? Weiße Goldgräber? Auf Claimsuche im Osten?

Tatsächlich schürft das Trio allerdings bloß auf dem Boden der eigenen Neurosen, der ganz normalen. König zeichnet die drei Figuren seines Kammerspiels als leicht überspannte Persönlichkeiten: Vlad (König), ein von Eitelkeit und Ehrgeiz hübsch angenagter Weltenbummler; Prachtsack (Walkau), sein ebenso eitler Weggenosse, mit Ausbrüchen ins Fach des halbseidenen Entertainers; schließlich Göthe (Pollkläsener), gespalten zwischen Kindskopf und Wahnsinnsgenie. Auf eine tiefgreifende Psychologisierung verzichtet Königs Buch dankenswerterweise: Die sind halt so – man muß sie hinnehmen oder den Saal verlassen. Mehr als das Ausloten der Charaktere genießt König das Ausloten ihrer Sprache. Und da tun sich ungeahnte Abgründe auf.

Mal läßt König seine seltsamen Gestalten in hohlem Zeitgeistdeutsch plappern, mal kommt's ihnen quasi-philosophisch: Vat z.B. erzählt, plötzlich entrückt wie in einem Bunuel-Film, seinen „Traum von den bebrillten Murmeltieren, die in einer merkwürdigen Sprache flüsterten“: Ihr Gott sei von einem zehntausendjährigen Schlaf erwacht, „nur um zu begreifen, daß er geschlafen habe“. Schon kracht die Kritik in diesen schönen Traum herein: „Die Poesie, Söhnchen, ist nur kaschiertes Gepopel und wird auch dich nicht retten.“

Ein andermal erzählt Prachtsack (auf seinem Kamm die „Schicksalsmelodie“ blasend) von der Begebenheit, wie er einmal über einen ausgeklügelten Musik/Sprach-Code die Truman-Doktrin vertont habe, „mit einem saftigen Sept-Nonen-Vorhalt, dazu wurde dann wild Foxtrott getanzt...“

Solche hübschen Ideen, bis ins Detail ausgefielt, gehören zu den stärksten Momenten von „Los Gringos“. Denn das ganze Abenteuer dreht sich letztlich nur um Sprache selbst. Königs Text leuchtet die Doppelbödigkeit tückischer Begriffe aus, legt die Oberflächlichkeiten und die Untiefen von Sprache bloß. So ist „Los Gringos in Weimar“ ein unablässig rauschender, mal auch plätschernder Sprachstrom. Irgendeine Form dramatischer Entwicklung kommt so natürlich nicht voran. Konsequenterweise schließt König sein Stück in Kreisform ab, bzw. eben nicht: Am Ende geht die Leier wieder von vorne los. Besonders spannend ist das zwar nicht; Königs Arbeit lebt aber vor allem von den Überraschungsmomenten, wenn die Worte mal wieder aufeinanderlosrasseln, wenn die Stimmung von einem Satz zum nächsten umkippt, vom Melodramatischen ins Komische und zurück. Und das gelingt hier ganz wunderbar Thomas Wolff

bis 26.3., täglich (außer 24.3.), im Lagerhaus Schildstraße