„Ich habe gegen Nagel gestimmt“

Die SPD-Abgeordnete Silvia Pickert rechnet nicht nur mit Wohnungsbesetzungen, sondern hätte dafür auch viel Verständnis / Bevor Wohnungen weiter verfallen, soll Senat Geld lockermachen / Interview von  ■ Uwe Rada

taz: Frau Pickert, Sie haben gefordert, daß der Bausenator für die nötigsten Instandsetzungsarbeiten in leerstehenden Wohnungen Gelder zur Verfügung stellen soll.

Silvia Pickert: Es gab ja bereits ein Gespräch zwischen der Wohnungsbaugesellschaft und der Senatsbauverwaltung, wo klargestellt wurde, daß bis zu 5.000 Mark ausreichend wären für bestimmte Wohnungen. Bevor man diese Wohnungen jetzt weiter verfallen läßt, sollte man diese geringen Ausgaben lockermachen. Es ist ja auch im Interesse der Wohnungssuchenden, wenn man für 100.000 Mark zwanzig Wohnungen herrichten könnte.

Ist der Leerstand fünf Jahre nach der Wende wieder zu einem dringenden Problem geworden?

Ja, leider. Wir hatten die Dinge schon mal besser im Griff.

Woran liegt das?

Auch an den Hausbesitzern. Einigen ist nicht klar, was das heißt, im Sanierungsgebiet Häuser zu haben, oder welche dramatische Wohnungssituation hier herrscht. Statt dessen steht der Profit mit dem Haus im Vordergrund. Solange diese Dinge nicht geändert werden, wird der Hausbesitzer immer im eigenen Interesse handeln.

Es stehen aber auch Wohnungen leer, bei denen die Wohnungsbaugesellschaft als Verwalterin oder Notverwalterin tätig ist.

Bei der Notverwaltung gibt es das Entschädigungsgesetz, das leider seit Januar in Kraft getreten ist und vorschreibt, daß die Mieteinnahmen auf ein Sonderkonto überwiesen werden müssen. Es gibt aber eine Initiative des Landes Berlin, das Gesetz zu novellieren.

Wie sind denn die Aussichten dieser Initiative?

Bausenator Nagel ist Manns genug, diese Initiative durchzuboxen.

Hätte Berlin diesem Gesetz, das ja für einen Großteil der nun verfallenden und leerstehenden Wohnungen verantwortlich ist, überhaupt zustimmen dürfen?

Nein, ich habe auch im Parlament dagegen gestimmt, daß Nagel diesem Gesetz zustimmt.

Tilman Fichter sagt, die SPD- Wohnungspolitik liegt im argen.

Der hat ja keine Ahnung, der soll erst mal nach Berlin kommen, statt immer nur in Bonn zu sein.

Wer steht in der Berliner SPD für eine mieterfreundliche Politik?

Auch und vor allem Senator Nagel. Er hat ja immerhin die Sanierungsgebiete durchgesetzt. Ich bin schon der Meinung, daß Nagel für mieterfreundliche Wohnungspolitik steht.

Falls nun Nagels Initiative gegen das Entschädigungsgesetz scheitert, sind Sie dann der Meinung, daß Wohnungsbesetzungen die letzte Möglichkeit sind, auf Leerstand und Verfall aufmerksam zu machen?

Ich möchte einmal sagen, daß ich das nicht gutheiße, wenn Wohnungen besetzt werden. Aber ich sage auch, wenn der Stand so ist wie jetzt, daß Tausende in Berlin Wohnraum suchen und solche Wohnungen, wie wir sie am Montag in der Dunckerstraße gesehen haben, leerstehen, rechne ich mit Wohnungsbesetzungen. Und ich bringe sehr viel Verständnis für die Leute auf, die sich da in Wohnungen reinsetzen, die eigentlich vermietbar sind. Es gibt da ein englisches Wort: Do it yourself.

Sie sagen, die SPD steht für eine Politik im Interesse der Mieter. Geht das besser mit der CDU oder besser mit den Grünen?

Es würde besser mit den Grünen gehen.