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Durchs DröhnlandDiesmal ohne Peter Pan

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

So wild die Negresses Vertes vielleicht einmal als Straßenmusiker waren, mindestens so heftig sind die Verhackstückstücke von Les Portugaises Ensablées. Das heißt soviel wie „verstopfte Ohren“, und das passiert dann doch nicht, obwohl sich das französische Oktett alle Mühe gibt, jedweden Einfluß offensichtlich werden zu lassen, und zu diesem Behufe Cajun, Arbeiterlieder, natürlich Chansons und vor allem Folklore aus aller Herren Länder auf das wahnwitzigste miteinander verschmelzen läßt.

Am 10.3. um 21 Uhr in der Wabe, Dimitroffstraße 101, Prenzlauer Berg

Mir kommt's vor, als gäbe es die Beat Godivas schon ewig, aber sechs Jahre sind auch eine lange Zeit, um endlich die erste volle Platte zu schaffen. Die ist überraschend gut gelungen, vor allem das Gast-Cello ist sehr hübsch. Ansonsten relativ gerader Gitarrenpop, eine Portion Sixties, ein Hauch zu wenig lakonisch vielleicht, was vor allem beim unrühmlichen Abschluß auffällt. Da wird aus Grant Harts warmherzigen „2541“ ein kitschiges Knödelwunder.

Record Release Party am 10.3. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Die perfekte Verbindung von aktuellen Rrriot-Girrrl-Tum mit der spröden Eleganz der frühen New Wave sind Echobelly. Dabei nicht wasserstoffblond, sondern antirassistisch und antisexistisch, selbstbewußt und mit der besseren Melodie in der Hinterhand. Die große Hoffnung des englischen Pop, auch wenn dessen Zukunft wohl in Japan liegt.

Am 10.3. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

Fest verankert in der bekanntermaßen etwas erstarrten Hardcore-Szene von Washington D.C., aber als einzige auf der Suche nach weitreichenderem Ausdruck, finden sich Girls Against Boys plötzlich in einem Rockzusammenhang wieder, in den sie sicher nicht gehören. Der ihnen aber musikalisch angegossen paßt: Ihre bedrohlich wummernden Stücke erweitern den radiogestählten Horizont immer nur millimeterweise, aber doch recht erfolgreich. Vor allem die schabende Stimme zeigt, daß Rock nicht immer was mit Singen zu tun haben muß. Die nötige Erfahrung, um der Rockmusik neue Hoffnung zu geben, garantieren Ex-Mitglieder von Soulside, Edsel Auctioneer und sogar Fugazi.

Am 11.3. um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg

Ganz Old School sind Absolute Beginner und verteidigen weiter vehement den ganzheitlichen Ansatz: Rapper, DJs, Breakdancer und Writer sind eine Kultur, ja, Mann. O.K., ansonsten sind die vier aus Hamburg in ihren Rhymes ähnlich kompromißlos wie Anarchist Academy, ihre Samples (teilweise von Slime) aber bei weitem eleganter, wenn auch noch weit vom smoothen Mainstream-HipHop unserer Tage entfernt. Auf ihrer letzten Maxi haben Absolute Beginner einen Song der Medienkritik gewidmet, da fragt man sich, warum sie sich ausgerechnet für eine Veranstaltung der Jungen Welt einspannen lassen, die aktuellen Popströmungen meist kopfkratzend gegenübersteht.

Am 11.3. um 22 Uhr mit X Certificate im Pefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Ganz sicher gut aufgehoben beim Skate-Contest mit Profis aus Übersee sind NO FX, bei denen jedes zweite Wort Spaß ist, und ihre Vorstellung davon hat viel mit breaklosem Punk, Kleinkindermelodien und einem minimalen sozialen Gewissen zu tun. Green Day für Menschen, denen Green Day zu bekannt geworden sind.

Am 11.3. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Neukölln

Um mich ausnahmsweise mal nicht den allgemeinen Lobhudeleien anzuschließen: Belly sind sehr nett, schöne Melodien, schönes Gitarrenschramm. Die übel kieksenden Throwing Muses sitzenzulassen war sicher die beste Entscheidung, die Tanya Donelly jemals traf, denn jetzt verdient sie mit Belly richtig Geld und bekommt Grammy- und MTV- Award-Nominierungen.

Am 13.3. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Wer eine ungefähre Ahnung bekommen möchte, wie es anno dunnemals zugegangen ist, darf eine Geschichts-Lektion bei Jeff Dahl in Sachen Punkrockentwicklung nehmen. Dahl hielt seine wild wuchernde Lockenmähne in so ziemlich alles, was damals vor fast 20 Jahren in den USA losging. Selbst die Angry Samoans, hin und wieder als beste Punkband der Welt bezeichnet, werden auf ewig mit seinem Namen verbunden bleiben, obwohl er eigentlich nur kurz den etatmäßigen Sänger vertrat. Inzwischen bemüht sich Dahl zwar um eine gewisse Zeitgemäßigkeit, was allerdings bei ihm in recht konventionellen Rock ausartet, der aber wiederum recht nahe dran ist am klassischen Pubrock oder Streetpunk der Anfangstage.

Am 14.3. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Eine allseits verfolgte und von Schönheitschirurgen gestützte Wandlung von der kleinsten der neun Jackson-Geschwister über Rollen in Kinder-Soaps bis zur Frau mit dem bestdotierten Plattenvertrag aller Zeiten hat Janet Jackson so weit gebracht, daß sie mit ihrem stompenden Schweinefunk selbst Brüderchen Michael inzwischen den Rang abgelaufen hat. Hin und wieder erreicht sie sogar dessen traumwandlerische, kindliche Eleganz, stilisiert sich aber zum Gegenentwurf als fest mit beiden Füßen im Leben stehende Frau. „Es gibt bloß einen Peter Pan“, erkannte Janet schon vor Jahren mit Blick auf ihren Bruder und nimmt dafür mit den Millionen vorlieb.

Am 14.3. um 20 Uhr in der Deutschlandhalle, Messedamm, Charlottenburg

Manchmal halten Infozettel doch richtige Bonmots bereit, die den Alltag versüßen. Auf ihrer neuen Platte warten At The Gates aus Göteborg – so glaubt jedenfalls ihre Plattenfirma – mit noch „besserer Fingerfertigkeit“ auf. Was kann man als Death- Metal-Band schon mehr wollen? Schneller, höher, weiter auch in diesem Fall, außerdem verbunden mit einem Hang zu süßlichen Intros auf der akustischen Gitarre und dem Drang zu Größerem: Als Einflüsse werden King Crimson und Sonic Youth angegeben. Seance aus Linköping sind roher, ungestümer, noch nicht verdorben durch den Kunstanspruch. Beide Bands beweisen einmal mehr, daß in Schweden das Kopistentum immer noch blüht. Wenn die dort was nachmachen, dann aber richtig.

Am 16.3. um 21 Uhr im Huxley's Junior Thomas Winkler

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