■ Kommentar
: Beginn einer Ära

Früher war hier alles anders: große Namen – Kurt Hübner, Frank Patrick Staekel, Peter Zadek, Arno Wüstenhöfer und Günther Krämer, der langjährige Generalmusikdirektor Peter Schneider – prägten das Bremer Theater, machten aus nahezu jeder Intendanz eine Ära. Seit dem Engagement von Tobias Richter (1985-1992)wissen wir eigentlich schon vorher: das geht schief.

„Das Theater der Söhne“, witzelte man kurze Zeit, als der Sohn des Cembalisten Karl Richter, der Sohn des Pianisten Günther Weißenborn, der Sohn des Dirigenten William Steinberg und der Sohn des Dirigenten Ferenc Fricsay als Intendant und Opernregisseur, als Operndramaturg, als Dirigent und als Schauspielregisseur hier vergeblich Welttheater zu machen versuchten. Als dann Hans Günther Heyme hier den Ruf retten sollte, klammerten sich alle – Behörde wie Publikum – zunächst einmal an Heymes originellen Ruf, an sein ausgewiesenes politisches Theater der siebziger Jahre und an sein vollmundiges Versprechen, das „Theater zum Gesicht der Stadt“ zu machen. Er hätte aber auch begreifen müssen, daß die gut bezahlten Zarenzeiten der Intendanten vorbei sind. Dazu hatte er einen Dirigenten gewählt, der noch mehr als sein Vorgänger Pinchas Steinberg nicht der Meinung war, mit einer kontinuierlichen Basisarbeit – Proben und Anwesenheit – an seiner Karriere bauen zu können. Die vorzeitige Kündigung von Marcello Viotti hatte zusammen mit dem Weggang von Heyme, der ein halbjähriger Clinch mit der Senatorin vorausgegangen war, die vollkommene künstlerische Verwaisung des Bremer Dreispartentheaters zur Folge. Den Spielplan einigermaßen aufrecht hielten die Kontinuität des Tanztheaters und die Kapellmeister, ein Provisorium, das der Verwaltungsdirektor Rolf Rempe als kommisarischer Intendant leitete.

Nun also soll's von neuem losgehen: der Intendant Klaus Pierwoß hat in einem Kraftakt bewiesen, was er in Bremen einzusetzen bereit ist, und nun hat Günther Neuhold vor laufenden Kameras unterschrieben: das Bekanntwerden seiner Kündigung am Badischen Staatstheater Karlsruhe löste eine Unterschriftenwelle höchster Instanzen aus, und bei seinen letzten Auftritten konnte er stehende Ovationen entgegennehmen. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren steht das Barometer wieder auf „schön“, denn ohne eine Prognose stellen zu wollen, könnte mit Pierwoß und Neuhold das eingeleitet werden, was Helga Trüpel sich so sehr von Hans Günther Heyme gewünscht hatte: ein Ära.

Ute Schalz-Laurenze