Otto geht, Günther kommt !

■ Günther Neuhold wird neuer Generalmusikdirektor des Bremer Theaters

“Es ging ein Ruck durch das Orchester“ bemerkte Barbara Grobien vom Vorstand der Philharmonischen Gesellschaft. So stellt sich ein neuer Generalmusikdirektor vor. Nach Jahren der Frustration für alle Beteiligten ist das das wichtigste: vor allem für das Orchester, das eigentlich schon viel länger verwaist ist. Länger als seit dem Weggang des letzten festen, aber wenig anwesenden Dirigenten Marcello Viotti vor zwei Jahren. Fast noch schlimmer war dessen Vorgänger Pinchas Steinberg, der fast schon in der ersten Pressekonferenz verkündete, daß Bremen ihn nicht interessiere. Unterschiedliche Alleingänge in der Findungskommision, die ja aus vier verschiedenen Interessenvertretern bestand – dem Philharmonischen Orchestervorstand, dem Orchester selbst, dem Bremer Theater und der Kulturbehörde – führten zu einer Kette von Mißerfolgen. Die Krönung dabei, war überraschende Absage von Markus Stenz. Danach löste man im vergangenen Sommer die Findungskommission erst einmal auf: das Orchester war nun nicht mehr drin und dessen Vorschläge wurden auch nicht beachtet. Neuhold dirigierte Ende Dezember zur Probe ,dannach kamen noch fünf weitere Bewerber. Der auch in engster Auswahl stehende Friedemann Layer sagte von sich aus ab.

Nun also für die nächsten vier Jahre: Günther Neuhold, der sich auf ein „überwältigendes“ Votum im Orchester stützen kann und für den Kontinuietät die Basis seiner Arbeit ist. Zu dem hat er mit allen Beteiligten „übereinstimmende“ Gespräche geführt. Da er zusätzlich die Position des Operndirektors einnehmen wird, hat er eine dem Intendanten vergleichbare Kompetenz.

Sein von der Agentur verschickter Lebenslauf enthält vierzehn Opern, davon drei von Richard Wagner und elf von Richard Strauß! Das sagt sehr deutlich, daß Qualität als Kriterium an sich nicht ausreicht und die Frage nach dem Repertoire nach sich zieht. Dazu wollte er allerdings in der Pressekonferenz nichts sagen, er verwies lediglich auf die Verpflichtung gegenüberden großen Werke des 20. Jahrhunderts. Sensationell seine Mitteilung: die erste Produktion wird Schönbergs „Moses und Aaron“ sein . „Theater ist Erlebnis“ , das ist seine Überzeugung und nur dann und nur damit könne das Publikum gewonnen werden.

An seinem vorherigen Wirkungsort, in Karlsruhe hatte die Badische Staatskapelle als festes Opernorchester auch Sinfoniekonzerte gespielt. In Bremen ist das Gegenteil der Fall: das Philharmonische Staatsorchester – privat verwaltet und finanziert durch die Kulturbehörde – wird an die Oper sozusagen „ausgeliehen“. Die unterschiedlichen Anforderungen beider Sparten reizen Neuhold. In seinem ersten Philharmonischen Konzert wird er sich mit Mahlers erster Sinfonie vorstellen. Im übrigen will er behutsam vorgehen, jedes gewaltsame Aufräumen, jedes Überstülpen von Konzeptionen sei ungut. Neuhold: „Der fließende Übergang ist eines der wichtigsten Dinge beim Theater“.

Günther Neuhold ist 1947 geboren, begann als Korrepetitor am Oldenburgischen Staatstheater und profilierte sich über Dirigentenwettbewerbe für die großen Häuser. Er hat acht Jahre das Opernhaus in Parma geleitet, und übernahm das Karlsruher Orchester nach Zwischenstationen in Dortmund und Hannover.

In Karlsruhe betrieb Intendant Könemann nach sechs Jahren die Nichtverlängerung des Vertrages von Günther Neuhold. M öglicherweise hat man dort Neuholds dauerhaften Qualitätsanspruch eher nervig gefunden. Seine Konzerte seien, so war aus Karlsruhe zu hören, von „großartiger Lebendigkeit“, sein Weggang sei „eine Blamage für die Stadt Karlsruhe“. Als er hier im Dezember Brahms und Mozart dirigierte, „ging ein Ruck durch's Orchester“. Auch habe er hier überzeugt durch seine „Genauigkeit, seine Klarheit, sein musikwissenschaftliches Wissen, und seinen deutlichen Schlag“.

Bleibt zu hoffen, daß Pierwoß, nun wahrlich kein Musikmann, ihn in Ruhe als Operndirektor arbeiten läßt. Und daß die Behörde, deren der zumeist schweigender Staatsrat immer wieder versucht hat, auf der „nachgeordneten Dienststelle“ zu bestehen, sich nach Vertragsunterzeichnung heraushalten wird. Bleibt weiterhin zu hoffen, , daß die Philharmonische Gesellschaft ihre verdienstvollen, aber doch begrenzten Kompetenzen in den Hintergrund stellen und daß nicht zuletzt das Orchester innerlich den unerläßlichen Qualitätsschub bejahen wird.

Heute konnte Helga Trüpel Günther Neuhold auch die Besetzung der dreizehn vakanten Stellen zusagen. Damit verfügt das Orchester, das sich in den letzten Jahren ohnehin schon enorm verjüngt hat und die Dauerprügel leid ist, über 87 Stellen. Grundlagen für neue „Glanzzeiten“ sind geschaffen.

Ute Schalz-Laurenze