Der Klimawandel hat viele Gesichter

■ Vielzahl von Einzeldaten belegt die dramatische Veränderung unseres Klimas

Berlin (taz) – Hat uns die Klimakatastrophe schon erreicht? Aus einschlägigen Studien und aus einer Recherche von Greenpeace stellen wir Daten vor, die den Trend zum Klima-GAU belegen.

Auffälligste Zahl ist die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur um 0,6 Grad in diesem Jahrhundert. Die acht heißesten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnung vor 140 Jahren traten alle nach 1980 auf. 1990 war das heißeste Jahr überhaupt, 1991 das drittheißeste, 1993 das sechstheißeste. Moskau registrierte sechs milde Winter in Folge, 1993 wurde das langjährige Mittel um 4,5 Grad überboten. In den USA war der Winter 91/92 der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Unübersehbar ist die seit 1954 gemessene Schrumpfung der Gebirgsgletscher weltweit. Seit den 80er Jahren verliert die Eisdicke pro Jahr im Schnitt 40 Zentimeter. Bohrungen im Eis ergaben, so ein Greenpeace-Report, daß die letzten 50 Jahre die wärmste Periode seit 12.000 Jahren waren. Die schneebedeckte Fläche in Eurasien ist seit 1970 um zehn Prozent zurückgegangen, das entspricht einer Fläche größer als Alaska.

Die Alpenflora verändert ihren Standort und wandert immer schneller Richtung Berggipfel. Die Fluchtbewegung hat sich auf inzwischen vier Meter pro Jahr beschleunigt. Die Erwärmung der Alpen um 0,7 Grad in den letzten 90 Jahren streßt die Pflanzen.

Ganz andere Pflanzen reagieren im Regenwald. Dort beobachten Forscher aus St. Louis einen auffälligen „Umschlag“ der Biomasse. Vermutlich durch den Düngeeffekt des CO2 in der Atmosphäre wachsen die Bäume schneller und sterben früher. Die Wissenschaftler befürchten Verluste der biologischen Vielfalt.

In der antarktischen Region haben sich durch das wärmere Klima manche Pflanzen dramatisch vermehrt. Die britischen Botaniker Fowbert und Smith stellten fest, daß der Haargrasbestand 1994 exakt 25mal höher war als 1964.

Auch die Ozeane reagieren: Vor der Küste Kaliforniens sind die Wassertemperaturen in den letzten 40 Jahren um 0,8 Grad gestiegen. In Australien und Neuseeland hat sich der Wasserstand des Pazifiks seit 1975 um jährlich zwei Millimeter erhöht. Die Sinktiefe des Grönland-Wassers hat von 5.000 Meter auf 1.000 abgenommen. Sie hängt direkt mit dem Salzgehalt zusammen, der wiederum von der Eisbildung abhängt. Wird wegen der Wärme weniger Eis gebildet, nimmt der Salzgehalt ab, das Wasser wird leichter und sinkt weniger tief.

Besonders alarmierend: Die Zahl der Tornados ist heute dreimal so hoch als in den 50er Jahren. Taifune, Zyklone und Hurrikane wüteten Anfang der 90er Jahre in unbekannter Intensität. Der Hurrikan Andrew (August 92) war die teuerste Katastrophe der US-Geschichte. Der Taifun Yancy (September 93) war der stärkste Sturm in Japan seit 50 Jahren.

Auch die Bleiche der Korallenbänke wird als Folge des Klimawandels gewertet. In der Straße von Hormuz sind 50 Prozent der Korallen tot. Das Siechen der farbenprächtigen Riffe ist in mehr als 20 Ländern dokumentiert.

Gut belegt ist auch die Ausbreitung der Malaria, die Zunahme von Schädlingen, die Pleitewelle der Versicherungsgesellschaften – der Klimawandel hat viele Gesichter. Manfred Kriener