Die Angst der Frauen vorm PC

■ Wenn der Bildschirm zum Horror wird: Früh übt sich, was eine „frauenspezifische Hemmung“ werden soll

Elfriede Lochel ist Diplompsychologin und Mitarbeiterin am Institut für Psychologie und Sozialforschung an der Uni Bremen. Sie ging der Frage nach, was hinter der häufig zu beobachtenden Angst der Frauen vorm Computer steckt.

Bei Ihren Untersuchungen äußerten 75 Prozent der befragten Frauen Angst vor dem Computer. Wird dieses Ergebnis von der übrigen Fachliteratur bestätigt?

Die Fachliteratur spricht von einem „frauenspezifischen Zugang zum Computer“ und stellt fest, die Frauen sind pragmatischer, nüchterner, gebrauchswertorientierter als Männer. Sie denken vorher mehr nach, bevor sie sich an den Computer wagen.

Meine Frage war, warum ist das so, was steckt an inneren Vorgängen und Bedeutungen dahinter? Dabei bin ich oft auf diesen Satz gestoßen: Ich habe Angst davor, etwas kaputt zu machen. Das heißt nicht, daß die Mehrheit der Frauen wahnsinnige Panik hat. Es gibt aber eine gewisse Anfangsscheu zu überwinden, mit der Männer nicht zu kämpfen haben.

Woher kommt die?

Wenn man mit einer neuen Technik konfrontiert ist, ist eine Portion Beherrschungslust notwendig. Männer haben nach meinen Untersuchungen keine Schwierigkeiten, diese Beherrschungslust gegenüber einem technischen Ding auszuleben. Sie gucken sich das an, probieren aus, machen auch Fehler.

Frauen scheinen demgegenüber zurückhaltender, sie tun weniger, gucken erstmal vorsichtig. Die Beherrschungslust der Frauen ist einer Hemmung unterworfen. Sie hat diese Lust, aber gleichzeitig die Tendenz, die Beherrschungslust in sich zu unterdrücken, weil sie fürchtet, daß sie zerstörerisch wirkt auf das Objekt. Sie verhält sich so, als wäre diese Beherrschungslust etwas Destruktives, als könnte sie das Objekt kaputtmachen, zerstören, und als müßte sie es schützen durch die eigene Zurückhaltung.

Was steckt hinter diesem Konflikt?

Das ist ein komplexer Vorgang, dem ich mit Hilfe von entwicklungspsychologischen Modellen auf die Spur zu kommen versuche. Entscheidend ist die Frage, wann in der Sozialisation oder in der psychosexuellen Entwicklung das Umgehen mit eigenen aggressiven kämpferischen Impulsen eine Rolle spielt. Für alle Kinder, egal ob Mädchen oder Jungen, ist vom ersten oder zweiten Lebensjahr an wichtig, die Erfahrung zu machen, daß, wenn sie aggressiv, wütend sind und Ärger ausdrücken, dies nicht schlimm ist und sie ihre Umgebung nicht zerstören. Daß sie ihre Liebesobjekte nicht zerstören, selbst, wenn sie selber mal aggressiv sind. Ich vermute in dem Bereich geschlechtsspezifische Unterschiede. Es scheint so, als wären Frauen nicht so sicher, daß ihre Aktivität und Beherrschungslust, ihre Aggression im konstruktiven Sinn auch wirklich konstruktiv ist.

Wie entsteht diese Unsicherheit?

Das hat mit der typischen psychosexuellen Entwicklung von Mädchen zu tun. Im Unterscheid zu Jungen müssen Mädchen mehr Aggression für ihr Selbstständigwerden aufbringen.

Sie müssen sich zuerst mal von der gleichgeschlechtlichen Mutter abgrenzen, dazu gehört immer auch Aggression. Das kann zu Schuldgefühlen führen, denn je mehr Aggression benötigt werden, um sich freizustrampeln, desto eher entstehen Schuldgefühle. Die Jungen sind durch ihr Geschlecht von der Mutter unterschieden und müssen nicht so aggressiv agieren. Mädchen müssen mehr Aggression aufbringen, und haben als Folge mehr Schuldgefühle, denn sie sollen sich abgrenzen und trotzdem wie die Mutter eine Frau werden.

Hinzu kommt, daß die Mädchen im Unterschied zu den Jungen einen Objektwechsel durchmachen. Um ihr gegengeschlechtliches Liebesobjekt zu finden, müssen sie sich von der Mutter dem Vater zuwenden. Dabei wird meist die Erfahrung, die mit der Mutter gemacht wurde, auf den Vater übertragen. Es kann also leicht passieren, daß das Ausagieren der Wünsche für Mädchen auch da zum Problem wird. Sie haben einen Ärger aus der Mutterbeziehung und wollen vom Vater all das, was sie bei der Mutter nicht bekommen haben. Das aber ist ein sehr gieriger Wunsch, und Gier ist etwas Aggressives. Auch da können also wieder Schuldgefühle entstehen.

Daher könnte man verstehen, warum bei Frauen immer, wenn sich aggressive Impulse regen, sehr schnell Schuldgefühle oder Hemmungen einsetzen, die eigene Aggression zu unterdrücken.

Folglich müßte dieses Phänomen auch bei anderen Techniken zu beobachten sein.

Das müssen weitere Untersuchungen klären. Ich vermute aber, daß die Aggressionshemmung auch bei anderen technischen Geräten eine Rolle spielt.

Immer mehr Frauen sind computerbegeistert. Handelt es sich nicht um eine zeitlich begrenzte Hemmung, deren Ursprung im Neuen der Technik liegt?

Meine Untersuchung ist nicht so zu verstehen, daß alle Frauen diese Hemmung haben. Sie haben häufig zunächst mal diese Neigung, überwinden die aber in den meisten Fällen. Die entscheidende Frage ist, welche Erfahrungen die Frauen in ihrer psychosexuellen Entwicklung mit ihren aggressiven Impulsen hatten. Natürlich ändert sich auch mit der Zeit und Gewöhnung etwas. Viele Frauen haben mir diese Hemmung aus dem Rückblick beschrieben. Das ist also durchaus eine Barriere, die überwindbar ist.

Fragen: Dora Hartmann