Die alte grüne Garde kehrt zurück

■ Grüne wählten Großteil der alten Fraktion auf die aussichtsreichen Listenplätze für die Wahl

Von wegen Rotation und Promi-Feindlichkeit: Die neue grüne Bürgerschaftsfraktion wird der alten sehr ähnlich sehen. Denn die grüne Mitgliederversammlung wählte gestern auf die aussichtsreichen Plätze der Bremer Liste für die Bürgerschaftswahl am 14.Mai vor allem die Mitglieder der bisherigen Fraktion: Spitzenkandidatin der Grünen ist – wie bereits 1991 – Helga Trüpel, auf Platz zwei steht wieder Ralf Fücks. Karoline Linnert, Dieter Mützelburg und Elisabeth Hackstein auf den Plätzen drei bis fünf setzten sich als alte Fraktionsmitglieder gegen ihre KonkurrentInnen durch.

Auf Platz sechs wählten die über 100 versammelten Grünen den ersten Neueinsteiger: Helmut Zachau, Gewerkschafter und Berufsschullehrer aus Walle. Auf Platz sieben landete nach vier Stichwahlgängen mit Maria Spieker ebenfalls eine altgediente Fraktionsfrau. Auch Platz acht ging mit Hermann Kuhn an ein Mitlied aus der alten Fraktion. Die Wahl der weiteren aussichtsreichen Plätze – intern rechnen die Grünen mit einem sicheren Einzug ins Parlament bis zu den Listenplätzen 12 bis 14 – dauerte bei Redaktionsschluß am Sonntag abend noch an.

Das von einigen erwartete „Prominenten-Sterben“ fand jedenfalls auf den ersten Listenplätzen nicht statt. Die grünen (Ex-) Senatsmitlieder Trüpel und Fücks traten nach einigem Zieren (Trüpel wegen ihrer Schwangerschaft, Fücks wegen des Mißtrauensvotums und dem Spagat zwischen den Ansprüchen von politischer Machbarkeit und grünem Fundamentalismus) ohne Gegenkandidaten zur Wahl an. Trüpel konnte von 122 abgegebenen Stimmen 76 auf sich vereinigen, Fücks erzielte mit 97 von 123 ein wesentlich besseres Ergebnis. Die größte Zustimmung der Mitglieder erfuhr die Kandidatur der Sozialpolitikerin Karoline Linnert auf Platz drei: 106 der 123 eingesammelten Stimmzettel trugen ihren Namen und nicht den der Gegenkandidatin Christine Bernbacher. Auch Dieter Mützelburg und Lisa Hackstein auf den Plätzen vier und fünf erreichten ihr Ziel im ersten Wahlgang. Ab Platz sechs ging die Kandidatenkür dann regelmäßig in die Verlängerung. Auf den vorderen Plätzen konnten bis zu diesem Zeitpunkt weder der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Martin Thomas, noch der Landesvorstandssprecher Arendt Hindriksen landen. FavoritInnen im Rennen um einen aussichtsreichen Platz waren außerdem noch Christine Bernbacher, Karin Krusche und der Weidedamm-Aktivist und Neu-Grüne Klaus Möhle.

Am Samstag hatten die Grünen ihr Wahlprogramm verabschiedet – ganz entgegen früherer Übungen ohne große Aufgeregtheiten. Selbst bei Reizthemen wie der Hemelinger Marsch konnte sich die Partei auf eine pragmatische Linie verständigen. Sang- und klanglos wurde aus dem in der Ampelkoalition hochgespielten ökologischen Kleinod wieder eine ganz normale Wiese. Um die wollen die Grünen immer noch kämpfen, beschlossen sie, aber wenn dort eines Tages doch noch Gewerbe angesiedelt werden würde, wäre das auch kein politischer Beinbruch mehr. Und genau auf diese Weise mutierte die autofreie Innenstadt aus dem 91er Wahlprogramm zur „fußgängerfreundlichen Innenstadt“.

Kleinere Debatten gab es nur an wenigen Punkten. Zum Beispiel beim grünen Bekenntnis zum Sanierungsprogramm. Das sei unrealistisch, hielt der Bürgerschaftsabgeordnete Walter Ruffler seinen ParteifreundInnen vor. Bremen sei auf diesem Wege nicht zu sanieren. Doch überzeugen konnte er die Versammlung nicht – mangels Alternative. „Was willst Du denn aus dem Sanierungsprogramm streichen“, wurde ihm von mehreren RednerInnen vorgehalten. Und die Versammlung stimmte auch diesem Programmpunkt mit großer Mehrheit zu.

Richtig knapp wurde die Abstimmung nur einmal. Da ging es um die Forderung, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken. Die Fronten gingen quer durch die Partei: Auf der einen Seite „mehr Demokratie wagen“, wie der Bürgerschaftsabgeordnete Wolfram Sailer formulierte, auf der anderen Seite das Argument, man könne nicht das Wahlalter herabsetzen und die Volljährigkeit bei 18 Jahren belassen. „Damit relativiert man das Wahlrecht, und das ist der Kern der politischen Rechte“, sagte Hermann Kuhn. Die Mehrheit bekam er damit nicht. Mit einem knappen Übergewicht an Stimmen sprachen sich die Grünen für das Wählen mit 16 aus, unter großem Jubel der Grünen Jugend-Inititiative. Und als es zur Schlußabstimmung kam, da votierte nur ein einziger Grüner gegen das Programm. bpo/J.G.