Basken blicken auf das Vorbild Nordirland

■ Erstes Gesprächsangebot der legalen Baskenpartei PNV in Nordspanien an ETA

Madrid (taz) – In die Auseinandersetzung um das Baskenland kommt Bewegung: Die „Baskische Nationalistische Partei“ (PNV), die in der nordspanischen Region regiert, hat dem politischen Umfeld der bewaffneten separatistischen ETA Gespräche „ohne Vorbedingungen“ angeboten.

Zur „1. Konferenz für den Frieden im Baskenland“ in Bilbao, die am Wochenende zu Ende ging, trafen sich erstmals baskische Parteien, Gewerkschaften und soziale Bewegungen, um gemeinsam nach einer politischen Lösung für den seit 35 Jahren schwelenden bewaffneten Konflikt suchen, dem bislang rund eintausend Menschen zum Opfer fielen. Der Friedensprozeß in Nordirland soll als Vorbild dienen. Weil auch auch für die lokal regierende PNV die „Frage der Souveränität und territorialen Einheit im aktuellen rechtlichen Rahmen“ nicht zufriedenstellend geklärt ist, wie ihr Sprecher Juan Maria Ollora vor der Konferenz sagte, bot sie den radikalen Nationalisten an, in diesem Punkt gemeinsam Front gegen Madrid zu machen. Man unterbreitete ein überraschend weitgehendes Angebot: „Wir sind bereit, Gespräche aufzunehmen, selbst wenn die Waffen nicht schweigen.“

Der Adressat, die ETA-nahe Partei „Herri Batasuna“ (HB), begrüßte die Initiative grundsätzlich – und klagte zugleich die starre Haltung der Madrider Zentralregierung an. Die gesamtspanischen Parteien, die sozialistische Regierungspartei PSOE und die rechte Oppositionskraft Partido Popular, haben solche Angebote bislang abgelehnt. Bevor der Terror nicht aufhöre, könne es keine Gespräche geben, begründete man das Fernbleiben vom Kongreß.

Dennoch zeigten sich die Organisatoren des Treffens, die „Gruppe für den Dialog“, Elkarri, zufrieden. Seit Jahren bemühen sich die Pazifisten aus dem linksnationalistischen Lager um eine Aufweichung der verhärteten Linien von ETA und Zentralregierung in Madrid.

Der Kongreß trifft ETA und Umfeld in einem schwierigen Augenblick. Erstmals in der Geschichte der baskischen nationalistischen Bewegung haben Mitglieder der bewaffneten Organisation und ihres politischen Armes Ende Januar öffentlich Kritik an ihrer Strategie geübt, nachdem der Sprecher der konservativen Partido Popular im Baskenland und Bürgermeisterkandidat für San Sebastian, Gregorio Ordoñez, durch ein Attentat ums Leben kam. Der Anschlag sei „ein Rückschritt innerhalb jedweder Strategie, die auf Verhandlungen oder Dialog setzt“, so die Herri-Batasuna- Stadträtin Begoña Garmendia aus San Sebastian.

Die Kritik verhallte nicht ungehört. Als die ETA-nahe Herri Batasuna im Februar ihr politisches Programm diskutierte, wurde der Vorschlag des Vorstandes, nach dem das „Baskenland zur Verteidigung seiner Souveränität alle Formen des Kampfes, von der Straße bis zu den Waffen, einsetzen darf“, zwar noch mit 71 Prozent der Stimmen angenommen. Aber 12 Prozent der 211 Ortsvereine enthielten sich, immerhin 17 Prozent stimmten für eine gemäßigtere Alternative. Die Gesellschaft reagiere mit „Verständnislosigkeit“ auf den bewaffneten Kampf, hieß es. In der Tat hat die Basken-Partei HP bei den letzten Europawahlen den einzigen Sitz in Straßburg verloren.

Bleibt abzuwarten, wie der harte Flügel auf die Vorschläge reagiert. Bislang hat die ETA stets erklärt, daß sie den bewaffneten Kampf nur aufgibt, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden: Amnestie für die über 600 Gefangenen der ETA, der Abzug aller spanischen Polizei- und Militäreinheiten und ein Autonomiestatut, das die Möglichkeit der vollständigen Unabhängigkeit offenhält.

Nach diesen Vorstellungen kommt HB und anderen politischen Kräften nur die Aufgabe zu, an einem „parallelen Tisch“ die daraus entstehenden politischen Fragen zu erörtern.

Joe Austin, der als Beobachter von der nordirischen Sinn Féin zugegen war, mahnte zur Geduld auf dem langen Weg zur Versöhnung: „Damit keiner auf die Idee kommt, die Lösung in fünf Tagen finden zu wollen, sage ich euch: Wir haben dafür fünf Jahre gebraucht.“ Reiner Wandler