3.000 Mark an Nitribitt

■ Verfahren gegen eine „Puffmutter“ wird eingestellt, wenn sie Bußgeld zahlt

„Na, also dann zweimal Tausendfünfhundert Cash an Nitribitt(*), das ist ja dann so halbwegs für die legale Seite“ – Amtsrichter Gerboth lugt über seinen Brillenrand nicht die Angeklagte, sondern deren Anwalt an. „Wenn sie ordnungsgemäß zahlt, wird das Verfahren eingestellt, sonst setzen wir es fort. Sie haben es selbst in der Hand, die Geschichte zu beenden.“

„Die Geschichte“ von Frau K. (37 Jahre) war in eine Anzeige wegen „Förderung der Prostitution“ gemündet. Frau K. war vorgeworfen worden, „auf die Prostitutionsausübung von 6 bis 12 Frauen in ihrem Hause dadurch Einfluß genommen zu haben, daß sie inserierte, die Preise bestimmte, das Geld einnahm, die Arbeitszeiten festlegte und die Pässe der Nicht-Europäerinnen unter Verschluß hielt“. Damit wurde Frau K. des Prostitutionsgewerbes bezichtigt, und es schwebte zudem der Verdacht auf Menschenhandel im Zimmer.

„Wo wohnen Sie?“ fragte Amtsrichter Gerboth die Angeklagte bei der Aufnahme der Personalien. „Essener Straße Acht“, so die Antwort. „Dort wohnen Sie auch???“ – „Ja.“ – „Ihr Beruf?“ – „Ich kriege Männerbesuch.“ – „Seit wann ist das ein Beruf? Sie sind zu deutsch Prostituierte?“ – „Ja.“ Mehr wollte Frau K., in Äthiopien geboren, mit einem Deutschen verheiratet, aber lieber nicht aussagen.

Fünf ZeugInnen hatte das Amtsgericht in der Sache „Frau K.“ zur Hauptverhandlung geladen. Fünf Personen, die mühsam ermittelt worden waren, die sich vier bis fünf Jahre zurückerinnern sollten: „Mindestens“ im Zeitraum zwischen Herbst 90 und Februar 91 soll Frau K. nämlich ihr kleines Wohnhaus als Bordell geführt haben. „Als Bordell war uns das schon eine Zeit lang bekannt“, bestätigte die als erste befragte Kriminalbeamtin, damals noch bei der „Sitte“. „Das Haus liegt nicht im Sperrbezirk, wir waren ein paarmal routinemäßig da.“ Erst nachdem „ein Herr“ ein Hinweisschreiben an die Polizei geschickt hätte, sei man bis zur Hausdurchsuchung gegangen.

Vorwiegend nichtdeutsche Frauen habe sie im Haus angetroffen, sagte die Kriminalbeamtin, mit welchen Frau K. angeblich Scheinmietverträge abgeschlossen hatte: Thailänderinnen, Afrikanerinnen, eine Holländerin, eine Jugoslawin, die meisten hätten kaum deutsch gesprochen. Auf die Nachfrage der Polizistin hätten sie ihre Pässe nicht zur Hand gehabt, Frau K. hätte sie daraufhin geholt. „Einige waren mit Deutschen verheiratet – wir erfuhren, daß Frau K. sie über ihre Kontakte im Milieu akquiriert hat.“ Corpus delicti waren bei der Durchsuchung Briefkästen mit den Namen der Frauen („Spitznamen?“, der Richter – „Künstlernamen“, die Antwort). In die Kästen hatten sie ihren Verdienst zu stecken, Frau K. behielt davon 50 Prozent.

„So war es abgemacht, damit war ich einverstanden“, sagte eine heute 26-jährige Zeugin, eine der damals wenigen deutschen Frauen. Sie habe immer ihr Geld gekriegt, konnte arbeiten, wann sie wollte, Kontrolle von Frau K. gab's keine. „Hat niemand irgendwann mal an die Tür geklopft, wenn's mit einem zu lange dauerte?“ fragte Richter Gerboth, der zunehmend unwirsch wurde und konsequent den Begriff „Gäste“ durch „Freier“ ersetzte. Doch schon. „Und wer hat die Preise festgelegt, für normal, französisch, mit Sonderleistungen“, bohrte Gerboth mit Seitenblick auf Staatsanwalt und Verteidiger weiter, „sie wollten ja wahrscheinlich auch etwas verdienen – nun weiß ich ja nicht, ob man in der Branche so kaufmännisch denkt.“

„Das waren Einheitspreise“, antwortete die zweite deutsche Zeugin (33). Sie hielt sich während ihrer Aussage ständig an Jacke und Handtasche fest und vermied es, den Richter anzusehen: „Ich glaube nicht, daß Frau K. die Mädchen geschlagen hätte, wenn sie Geld zurückbehalten hätten.“ Männer im Hintergrund habe es keine gegeben. „Das alles war ja nun nicht sonderlich ergiebig im Sinne des Anklagevorwurfs“, sprach Richter Gerboth nach dreieinhalb Stunden Verhandlung dann sein Resümee. „Es konnten noch ZeugInnen nachermittelt werden – aber ob wir die nach Bremen bringen? Herr Staatsanwalt Hübner?“ 3.000 Mark Bußgeld an eine entsprechende Einrichtung schlug dieser vor, Frau K. nahm an. „Und wenn Sie nicht zahlen, dann ,auf Wiedersehen', dann ist das nicht nur ein deutsches freundliches Abschiedswort, sondern ein Versprechen von mir“, so Richter Gerboth. sip

* Nitribitt e.V.: Treffpunkt und Beratung für Prostituierte, d.R.