Abschied auf rauhe Art

Play-off-Viertelfinale: Mannheimer Adler – Kölner Haie 0:6 / Mannheim gewinnt nur nach Strafzeiten und muß fortan zuschauen  ■ Aus Mannheim Günter Rohrbacher-List

Wenn der SV Waldhof gegen den 1. FC Köln im nächsten Jahr mit 0:6 verliert, schmähen die blau- schwarzen Fans die Mannschaft und skandieren „Vorstand raus“. Im Eishockey bei den Mannheimer Adlern ist das alles ganz anders. Nach zwei knappen und unglücklichen Heimniederlagen, einem Sieg und einer Niederlage an der Kölner Lentstraße hatten es die Youngsters des kanadischen Erfolgscoachs Lance Newthery im fünften Spiel im heimischen Friedrichspark in der Hand, durch einen Sieg gegen die Kölner Haie ein sechstes oder gar siebtes Spiel zu erzwingen. Doch die Kölner spielten gegen die Mannheimer alle ihre Play-off-Routine aus und deklassierten die Adler unerwartet deutlich mit 6:0. Der MERC hatte sich damit aus dem Kampf um die deutsche Meisterschaft verabschiedet. Trotzdem tobte das Publikum und feierte die Cracks noch bis eine Stunde nach Spielschluß.

Dem Mannheimer „Kindergarten“ waren schon zu Ende der Punkterunde erste Kräfte geschwunden, als sie durch unerwartete Punktverluste den zweiten Platz verspielten. War Achtelfinalgegner EC Hannover noch von der zweiten DEL-Garnitur, so erinnerten sich alte MERC-Kämpen wie Harold Kreis an vergangene große Play-offs gegen die Haie, in denen die Mannheimer nicht allzuoft erfolgreich waren. Trotzdem, der Aufschwung 1994/95 grenzt an ein Wunder im so maroden deutschen Eishockey. Noch kurz vor dem Start der DEL waren die Mannheimer, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und satte Profis mit Rentenverträgen durchgeschleppt hatten, ohne Hauptsponsor. Kein Wunder, denn die Aufnahme in die DEL hing lange an einem seidenen Faden.

Erst relativ spät, aber nicht zu spät konnte das MERC-Eishockey-Idol Markus Kuhl als Manager mit der Komposition einer konkurrenzfähigen Mannschaft beginnen. Dabei setzten Kuhl und Nethery auf die eigene Jugend. Nicht weniger als fünf MERC-Junioren nahmen die Plätze der ausgemusterten teuren Profis Venci Sebek, Jiri Lala und Peter Draisaitl ein: Michael Gabler (21), Mario Gehring (23), Daniel Körber (20), Sven Valenti (19) und der erst 17 Jahre alte Jochen Hecht, der bald von einem NHL-Club gedraftet werden dürfte. Dazu kam aus Indianapolis der 24jährige Kanadier Rob Cimetta, der die Erwartungen erfüllte und in 51 Spielen 35 Tore und 37 Assists erzielte. Aus der Konkursmasse der Maddogs München kamen wurden noch Christopher Straube, Michael Hreus und Christian Lukes geholt. Der unerwartete Höhenflug der Adler – alle warteten vergebens auf einen jähen Absturz – endete erst kurz vor Schluß der Punkterunde.

Eine kleine Krise warf den zeitweiligen Tabellenersten auf Platz drei zurück. Und das bedeutete im Viertelfinale Heimvorteil gegen die Kölner Haie. Die hatten es sich schon im ersten Spiel zum Ziel gesetzt, den Gegner mit ihrer überharten Gangart einzuschüchtern. Böse Attacken, vom Schiedsrichter übersehen, fanden ihren Höhepunkt im dreifach gebrochenen Finger von Pavel Gross, einer der Stützen des Mannheimer Spiels. Nach dem 5:3 der Adler in Köln sah Top-Scorer Rob Cimetta aus wie nach einem Fight mit Henry Maske. Drei Tage später, beim 2:7 an gleicher Stelle, ging Cimetta übermotiviert ins Spiel und fing sich nach zahlreichen Provokationen prompt seine dritte Disziplinarstrafe ein, so daß er fortan wie Gross fehlte.

Ein großes Handicap für das fünfte Spiel, das vor allem deshalb nicht zu kompensieren war, weil sich die Adler von den Haien, was das Foulspiel anging, anstecken ließen, ihr eigenes Überzahlspiel dilettantisch vergeigten und schließlich nach 17 Minuten bei drei gegen vier das 0:1 durch ihren alten Kollegen Draisaitl hinnehmen mußten. Als das Match im zweiten Drittel so vor sich hinplätscherte, gruben sich die Adler ihr eigenes Grab. Strafzeiten am Stück für Serikow, Adamus, Hanft und wieder Serikow führten innerhalb von 31 Sekunden in der 38. Minute zum 0:2 und 0:3. Erst bei fünf gegen drei, dann bei fünf gegen vier. Den Gipfel an Dummheit leistete sich nach zwei weiteren Kölner Treffern Alexander Serikow, der den mit ihm auf der Strafbank verweilenden Frank Hohenadl permanent provozierte, ihm sein Handtuch an den Kopf warf und ihn, zurück auf dem Eis, grinsend zu Boden streckte, was prompt eine neue Strafzeit zur Folge hatte. Das 0:6 folgte auf dem Fuß.

So werden die Kölner Haie am Sonntag nach Berlin fahren, während den Adlern die Reisen nach Landshut erspart bleiben. Wirtschaftlich und sportlich hat sich die Saison für die Mannheimer gelohnt. Mit dem Erreichen des Viertelfinales waren sie zufrieden, während die Haie unbedingt weiterkommen mußten.

Sie werden längst zu Fischkroketten verarbeitet sein, wenn die jungen Adler, ergänzt durch zwei starke Abwehrspieler und den vom Farmteam Hornets Zweibrücken zurückkehrenden Steven Thievierge, in zwei oder drei Jahren ihr Meisterstück machen werden.