„Töten, immer wieder töten“

■ Dokumentation über Jeffrey Dahmer, 22.15 Uhr, N 3

„Sag' mal, was ist in den schwarzen Müllsäcken“, hatte der Vater Jeffrey einmal gefragt. Mehrmals schon hatte sich die Großmutter über den üblen Geruch beschwert. Doch Jeff winkte ab. Er habe nur wieder einmal mit Tierkadavern experimentiert. Wie damals, als er noch ein Kind war und einen Tierfriedhof hinter dem Haus angelegt hatte.

Jeff ist nun Objekt der Wissenschaft: Hinter seinem Schreibtisch sitzt ein weißbekittelter Physiologe. In der linken Hand hält er das Modell eines menschlichen Gehirns, an dem er uns mit dem rechten Zeigefinger genau demonstriert, an welchen Stellen es bei Massenmördern wie Jeffrey hapert. Ultraschallaufnahmen vom Gehirn eines Mörders bestätigen seine Theorie ...

Es entsteht dabei jedoch der Eindruck, dieser Mediziner sei der eigentliche Massenmörder, der zahlreichen Menschen den Schädel aufgesägt hat, um in den Gehirnwindungen Antworten auf das Rätsel des Tötens zu suchen: „Töten, immer wieder töten!“ ist eine Channel-4-Produktion, die den Fall Jeffrey Dahmer dokumentiert, der in den USA zwischen 1978 und 1991 17 junge Männer zerstückelte.

Den Leitfaden des Films bildet ein psychologisches Modell, das an der California State University anhand der Untersuchung von 200 Serienkillern entwickelt wurde. Das Modell beschreibt eine sprichwörtliche Todesspirale zwischen traumatischen Erlebnissen, Gewaltphantasien und Größenwahn, dem Mißbrauch enthemmender und stimulierender Mittel, die schließlich zur Ausführung eines Mordes führen – der seinerseits das anfängliche Trauma wiederbelebt und den Wiederholungszwang auslöst.

Nicht alle der im Film zu Wort kommenden Gerichtsmediziner, Psychiater, Anthropologen und Kriminologen haben diese Dr.- Frankenstein-Ausstrahlung. Der Film unterscheidet jedoch nicht zwischen seriösen Fakten wie der Biographie Dahmers und wüsten Spekulationen, denenzufolge das Gen XY an allem schuld ist.

Musik und Bild sind nach Art einer Wissenschaftsreportage aufgemacht. Sphärenklänge und Fischaugenperspektive wecken Erinnerungen an alte Naturfilme über Vulkanausbrüche. Wegen der Faktenfülle, die Dahmers soziales Umfeld sowie Einzelheiten der Tathergänge rekonstruieren, ist diese ebenso realistische wie unfreiwillige „Science-fiction“ jedoch alles andere als uninteressant. Manfred Riepe