Unruhiger Lebensabend

■ "Golden Palace", die paritätisch besetzte Käsekuchenrunde, ab heute, 0.15 Uhr, ARD

Es wurde Zeit für einen Kulissenwechsel, nachdem Dorothy Zbornak leichtfertig eine neue Ehe eingegangen war und das traute Heim an der Richmond Street in Miami Beach verlassen hatte. Folglich werfen die verbliebenen „Golden Girls“ ihre Ersparnisse zusammen und erwerben auf Anraten von Blanches Anwalt das 42-Betten-Hotel „Golden Palace“ in Miami.

Der Winkeladvokat hat sich bereits aus dem Staub gemacht, als die Damen gewahr werden, daß es sich beim „Golden Palace“ keineswegs um eine alterssichernde Goldgrube handelt, sondern um ein schmuckes, aber arg heruntergewirtschaftetes Unternehmen. Nicht einmal die Personalkosten wirft es ab. Notgedrungen übernehmen die neuen Besitzerinnen selbst die anfallenden Aufgaben: Blanche die Geschäftsführung, Rose die Instandhaltung der Zimmer und Sophia die Küche. Sowohl Blanche als auch Sophia haben dabei ihre Widerparts. Manager Roland und Koch Chuy sind die einzig verbliebenen Angestellten, Rolands zwölfjähriger Pflegesohn der einzige Dauergast. Immer wieder entbrennt Streit über die Frage, wer in der Küche das Sagen hat, und auch an der Rezeption liegen Kompetenz und Ego in ständigem Wettstreit. Besondere Pikanterie bekommt das Duell durch die Tatsache, daß mit Blanche und Roland nicht nur zwei gänzlich unterschiedliche Temperamente, sondern auch eine gebürtige Südstaatlerin und ein Afroamerikaner aufeinandertreffen.

Immer wieder schimmert Blanches anerzogener Rassismus durch; ist sie aber erst einmal eines Ressentiments überführt, zeigt sie sich durchaus einsichtig und findet schnell zurück auf den Pfad der Political correctness. Dieser leidige Imperativ scheint bei der Konzeption der Serie nicht ohne Einfluß geblieben zu sein, denn mit älteren Menschen, einem Afro- und einem Hispanoamerikaner sind gleich drei Minderheiten vertreten, die in den vergangenen Jahrzehnten vom US-Fernsehen vernachlässigt wurden. Social issues sind das Markenzeichen der Autorin und Produzentin Susan Harris, deren Produktionsfirma für die „Golden Girls“ und die Nachfolgeserie „Golden Palace“ verantwortlich zeichnet. Harris und ihre AutorInnen verzichten freilich auf philiströse Wehleiderei und verlogene Harmonisierung. Reinweg spitzbübisch ist die Konstellation Blanche/Roland, die gepfefferte Wortwechsel ermöglicht – in der Originalfassung amüsant allein schon durch die Sprachfärbung der Kontrahenten. Deutsch synchronisiert, klingt Roland hingegen beinahe so albern wie die blöd kieksende Rose, die in Wirklichkeit über ein dunkles Timbre verfügt.

Ein weiterer Gewinn der neuen Serie ist der Mexikaner Chuy Castillos, ein früherer Modedesignstudent, der durch den Militärdienst vom ursprünglichen Berufsziel abgebracht wurde. Gespielt wird er von Cheech Marin, Spätvorstellungsveteranen noch bestens bekannt als Part des ewig bekifften Klamaukduos Cheech & Chong. Eingedenk dieser Vergangenheit verwundert kaum, daß die AutorInnen zuweilen zwei- bis dreideutiges Spiel mit dem Wörtchen pot treiben.

TV- wie auch Werbeleute reagierten seinerzeit mit Skepsis auf die Ankündigung einer Sitcom mit grau gelockten Hauptfiguren jenseits der 50. Doch die „Golden Girls“ wurden auf Anhieb ein Hit und erreichten gar das von der Werbebranche präferierte jugendliche Publikum, das sich mit der scharfzüngigen Sophia ausgerechnet die älteste aus der Käsekuchenrunde zum Idol erkor. Hierzulande werden die Kids wenig Gelegenheit haben, den kessen Injurien der flotten Seniorinnen zu folgen. Wohl damit die Einschaltquoten nicht unnötig in die Höhe schießen, hat die ARD den potentiellen Knüller auf einen nachmitternächtlichen Termin abgeschoben. Harald Keller