■ Tour d'Europe
: Kirche in Zahlen

Das Christentum – aufgespalten in verschiedene Kirchen – ist in Europa die Religion der Mehrheit – neben starken muslimischen und jüdischen Minderheiten. Insgesamt 400 Millionen EuropäerInnen bekennen sich zu den diversen christlichen Glaubensgemeinschaften. 285,5 Millionen EuropäerInnen sind katholisch, 73,5 Millionen protestantisch, 35,9 Millionen orthodox. Allein in Italien leben 56 Millionen KatholikInnen, in Frankreich 47, in Spanien 38 und in Polen 35 Millionen.

In vielen Ländern des Kontinents gehört ein großer Teil der Bevölkerung derselben christlichen Glaubensgemeinschaft an. So betrachtet die Katholische Kirche 95 Prozent der irischen Seelen als ihre Schäfchen, 94 Prozent der polnischen, 87 Prozent der spanischen und 84 Prozent der italienischen.

Wenn es um Intoleranz geht, denken Europas Christen vor allem an die anderen – ganz besonders an den Islam, der in einem Atemzug mit „Fundamentalismus“ genannt wird. Dabei klammern sich die christlichen Kirchen selbst an zahlreiche uralte Regeln und geben ReformerInnen kaum eine Chance.

So ist das – nur wenigen RussInnen verständliche – Kirchenslawisch weiterhin die Arbeitssprache an den Altären. So sind Frauen in den meisten Kirchen nicht als Priesterinnen zugelassen. Und so sind katholische Priester weiterhin auf das Zölibat verpflichtet. Ihre Frauen, und das sind europaweit eine ganze Menge, sind zu einem Leben im Schatten verurteilt. Wenn sie Kinder haben, wachsen diese ohne Väter auf – und nicht selten sorgen die Vorgesetzten der Priester mit einer Versetzung ins Ausland dafür, daß sie die verbotenen Beziehungen ganz abbrechen.

Drei Jahrzehnte nach dem zweiten Vatikanischen Konzil geistert auch der zwei Jahrtausende alte Antisemitismus immer noch durch die Kirchenliteratur. Aus diesem Grund wurde in Frankreich gerade die „Bibel für die christlichen Gemeinden“ aus dem Buchhandel zurückgerufen. In dem Werk, das weltweit bereits in 18 Millionen Exemplaren und in zahlreichen Sprachen im Umlauf ist, wird das Käpi als „Folklore“ bezeichnet und ist von dem „jüdischen Volk, das Gott getötet“ hat, die Rede. Verfaßt hat das populär gemeinte Werk ein Geistlicher aus Versailles, Bernard Hurault, der als Missionar nach Chile ging, um dort den Vormarsch von Sekten in den Armenvorstädten aufzuhalten.

Wie vor Jahren bei dem Streit um das Karmelitinnenkloster in Auschwitz kam auch diesmal der erste Warnruf aus Belgien, wo katholische und jüdische Theologen gemeinsam gegen diese Bibel voller antisemitischer Stereotype protestierten. Doch erst nachdem der Vatikan sich einschaltete und höchst offiziell feststellte, das Werk widerspreche der offiziellen Doktrin, wurde der Bischof von Versailles einsichtig und sorgte in der vergangenen Woche dafür, daß die Bibel vom Markt verschwand.dora